Anti-Minen-Ausbildungszentrum am Stadtrand von Kabul

Wir fuhren mit dem Auto an den Stadtrand, wo es ein großes Anti-Minen-Ausbildungszentrum gibt. Wir waren sehr beeindruckt, vor allem auch von dem ehemaligen NVA-Soldaten, der dieses Zentrum in der Taliban- Zeit aufgebaut hat. Von den Taliban, mit denen er (bartlos) super zusammenarbeiten konnte, bekam er dies riesige Grundstück am Stadtrand zur Verfügung gestellt. Bis zum 11.September hatten sie etwa ein Viertel von Afghanistan als minenfrei erklären können. Nun kam noch einiges wieder dazu, zum Teil durch die Taliban, weil Minen eine typische Defensiv- und Abwehrwaffe sind, z. T.

Wir fuhren mit dem Auto an den Stadtrand, wo es ein großes Anti-Minen-Ausbildungszentrum gibt. Wir waren sehr beeindruckt, vor allem auch von dem ehemaligen NVA-Soldaten, der dieses Zentrum in der Taliban- Zeit aufgebaut hat. Von den Taliban, mit denen er (bartlos) super zusammenarbeiten konnte, bekam er dies riesige Grundstück am Stadtrand zur Verfügung gestellt. Bis zum 11.September hatten sie etwa ein Viertel von Afghanistan als minenfrei erklären können. Nun kam noch einiges wieder dazu, zum Teil durch die Taliban, weil Minen eine typische Defensiv- und Abwehrwaffe sind, z. T. wegen der üblen amerikanischen Clusterbomben. 3500 Splitterbomben der USA liegen schätzungsweise noch scharf in Afghanistan herum. Das erste Mal hat die USA diesen Bombentyp im Kosovo getestet und nun in Afghanistan eingesetzt. UXO´s heißt das: Un eXploded Objects. Ca. 100 000 t UXO sind noch in Afghanistan. Aus einer Statistik, die das IRK (Intern. Rotes Kreuz) führt, geht hervor, dass 2/3 aller Todesfälle und Verstümmelungen im Nachkriegsafghanistan auf UXO´s zurückgeht, 1/3 nur auf Minen. Eine Deutsche, Vera Bohlen, sei die weltweit beste Expertin in Sachen UXO´s und sei im Moment noch in Afghanistan. Bei der Organisation (unterstützt u. a. von der GTZ), bei der wir waren, arbeiten 1200 Menschen in landesweit neun „Mine Action Center“ , hauptsächlich Paschtunen, weil sie unter den hauptsächlich paschtunischen Taliban ja damit angefangen haben. Sie arbeiten vorwiegend mit Hunden und suchen Plastikminen. Ein Hund kann den Sprengstoff TNT bis mehrere Meter tief aufspüren. Sie haben derzeit 17 Teams und sollen auf 21 aufstocken. Das geht alles nicht so schnell, weil Mensch und Hund gemeinsam ausgebildet werden müssen. Die beiden arbeiten eigentlich dann auch die 8 Hundejahre zusammen. (Wenn nicht die UNO oder andere die ausgebildeten Entminer für den vierfachen Lohn als Autofahrer oder Koch anwerben.) Neun verschiedene Entminungsorganisationen arbeiten in Afghanistan mit unterschiedlichen Schwerpunkten (z.B. Entminung mit Räumfahrzeugen, Entminung von Panzerminen, Entminung mit Hunden), 6000 Entminer insgesamt. Alle Organisationen machen „Mine-Awareness“-Kurse auch an den Schulen. Viele Minen können nicht entschärft, sondern nur gesprengt werden. Dafür hatten sie schon unter den Taliban 6 Tonnen Sprengmittel zur Verfügung bekommen. Als die Amerikaner mit der Bombardierung von Kabul aus 300 m Höhe begannen, verfehlten sie das Sprengstofflager der Entminungsorganisation nur knapp. Hätten sie es getroffen, wäre ein Umkreis von einem Kilometer völlig eingeebnet worden, inklusive eines Berges, den es dort gibt. Eine Minensuchtruppe von 4 Hundesuchern und 12 Entminern schafft täglich etwa ein Fußballfeld. In Afghanistan sind etwa 1000 km ² Land vermint. Die Sowjets haben bei ihrem Abzug die Lageskizzen ihrer Minenfelder hinterlassen. Außerdem haben sie Minen entwickelt, die sich nach 24 Stunden selbst entschärfen, andere zumindest nach eins, zwei Jahren. Ansonsten werden die Minen eher immer fieser und sie werden auch hinterhältiger verlegt. Zum Beispiel wird unter einer Panzermine eine zweite Mine verlegt, die auf Entlastung, nicht auf Druck, auslöst. D.h., wenn die Panzermine geborgen wird, löst die darunter liegende Mine aus und bringt auch die Panzermine zur Detonation. Momentan gibt es deshalb eher mehr Unfälle. Jeder Entminer ist in Pakistan mit 15 000 Dollar im Todesfall für die Familie versichert. Manche Minen sind als verrostete, alte Revolver getarnt. Es gibt Minen als Spielzeug. Manchmal wird eine Entlastungsmine unter eine Leiche gelegt. 95 % aller Minen bringen Zivilisten um. Es gibt inzwischen 400000 Minentote oder Verstümmelte in Afghanistan. Manche Minen sind mit einem 4 m langen Drahtauslöser verlegt, so dass ein ganzer Korridor verlegt werden kann. Für die Organisationen, die mit herkömmlichen Metalldetektoren arbeiten, ist Afghanistan ein schwieriges Land, weil es voll ist mit Metallfragmenten, alle schlagen bei der Minensuche an und alle müssen aufwendig geborgen werden, weil es eine Mine sein könnte. Er hat uns noch eine Menge Storys erzählt, mehr oder weniger blutig. 14 Frauen in einem Kleinbus starben bei Gardez auf einem geräumten und freigegebenen Parkplatz. Seine Organisation bekam die Schuld, weil sie schlecht geräumt hätten, bis sich herausstellte, dass es eine Neu-Verminung war. Es wird von Terroristen öfter neu verlegt in letzter Zeit. Eine Gruppe von vier Leuten verlor er, weil sie in eine Falle gelockt wurden. Auf einer dicht befahrenen Straße fuhr ein Auto auf eine Panzer-Mine auf (da überlebt niemand). Bei der sofortigen Suche entdeckten sie vier neu verlegte Minen (weit außerhalb Kabuls). Eine Frau der Kutschis (ein Nomadenvolk innerhalb Afghanistans) kam eines Tages mit einer Schürze voll Minen zu ihnen. Sie sind alle in Deckung gegangen und die Kutschi- Frau lachte: Bevor sie ihr Zelt irgendwo aufschlügen, würden sie immer erst nach Minen suchen. Wie auch immer. Für sein Haus hat der Mann in Taliban- Zeiten übrigens 150,- Dollar gezahlt. Jetzt zahlt er für das gleiche Haus (das die Nordallianz-Leute erst geplündert und dann besetzt gehalten hatten) 3000,- Dollar. Der Besitzer hat in der direkten Nachbarschaft noch drei Häuser (und wahrscheinlich mehr). Zum Teil gibt es inzwischen Minen-Neuverlegung um die Mohnfelder, die der Heroinproduktion dienen. 16.November Samstag >