Besuch im deutschen Technikum in Kabul

Für den Ausflug nach Kabul mit meinen Lehrlingen versuche ich einen Besuch in einer Gewerbe-Schule zu arrangieren. Zufällig spreche ich am Mittagstisch mit einem der afghanischen Mitarbeiter, Fahim. Der ist etwa fünfzig Jahre alt und spricht recht gut Deutsch. „Ich habe einen Kollegen, der ist Lehrer für Schreiner“, sagt er. Ich bin sofort hellhörig und frage ihn aus. „Ja“, meint er: “Ich bin selbst auch Lehrer am ‚deutschen Technikum’. Das ist von Deutschen gegründet worden, vor dem Krieg.

Für den Ausflug nach Kabul mit meinen Lehrlingen versuche ich einen Besuch in einer Gewerbe-Schule zu arrangieren. Zufällig spreche ich am Mittagstisch mit einem der afghanischen Mitarbeiter, Fahim. Der ist etwa fünfzig Jahre alt und spricht recht gut Deutsch. „Ich habe einen Kollegen, der ist Lehrer für Schreiner“, sagt er. Ich bin sofort hellhörig und frage ihn aus. „Ja“, meint er: “Ich bin selbst auch Lehrer am ‚deutschen Technikum’. Das ist von Deutschen gegründet worden, vor dem Krieg. Jetzt sind die Werkstätten nicht mehr in Ordnung, aber es gibt unter anderem eine für Metall und eine für Holz.“
 
Ich vereinbare mit ihm einen Termin eine Woche später, um gemeinsam die Schule an zu schauen und zu fragen, ob ich mit meinen Schreinern die Werkstätten besichtigen darf. Im Stillen wundere ich mich mal wieder, wie es wohl möglich ist, dass Fahim neben seinem Vollzeitjob bei ZIM noch Lehrer an der Schule ist.

Mit den Rädern fahren wir an einem Samstag quer durch die Stadt. Ich muss mich anstrengen, um mit ihm mit zu halten, immer hinter ihm her. Denn noch weiß ich nicht, wohin die Fahrt geht. Von Wazir Akbar Khan geht es erst Richtung Share nau (‚Neustadt’), dann zum Kabul-Fluss und diesen entlang zu der Stelle, wo sich der Fluss durch die Hügelkette quetscht, die Kabul in zwei Hälften teilt.

Auf der einen Seite liegt die größere Hälfte der Stadt mit der teilweise zerstörten Altstadt, der Neustadt mit vielen Geschäften, Restaurants und der Touristen-Einkaufsstraße und noch etliche andere Stadtteile, wie zum Beispiel die große Plattenbausiedlung Mikroyan, ‚mein’ Viertel Taimani und das Flughafen-Viertel.

Jenseits der Hügel liegt das Universitäts-Viertel, der Zoo und zwei von den Mujaheddin sehr zerstörte Stadtteile, weiter draußen der ebenfalls zerstörte Königspalast. Noch bevor es ganz eng wird zwischen den Hügeln und nur noch der Fluss und zwei Straßen Platz haben, hält Fahim vor einem großen Gebäude an.

Eine Gruppe von jungen Männern kommt gerade aus der großen Tordurchfahrt, die mitten durch das Gebäude in einen weiten Hof führt. Wir gehen, in der Durchfahrt noch, links in eine Tür hinein, kurz durch einen dunklen Gang und kommen dann in das Sekretariat: Ein kalter Raum mit dringend renovierungsbedürftigen Wänden, einer hohen Decke und einer alten Theke, die quer durch das Zimmer geht. Dort wimmelt es von Leuten, hauptsächlich alten Herren. Einige sprechen mich sofort auf Deutsch an, als sie erfahren, dass ich Deutscher bin. Über einige höfliche Floskeln kommen wir aber nicht hinaus. Ich habe das Gefühl, sie halten mich für einen in Deutschland aufgewachsenen Afghanen.

Nach einer Weile bittet mich Fahim, ihm zu folgen. Wir gehen ein Zimmer weiter zum Direktor der Schule. Der sitzt hinter einem großen Schreibtisch in einem ähnlich renovierfähigem Raum wie dem Sekretariat. Durch einen Vorhang hat er eine kleine Ecke mit Waschbecken abgetrennt.

Dieser Direktor erklärt mir nun, dass er meinen Besuch mit den Lehrlingen nicht alleine entscheiden könne, sondern dass ich noch den Präsidenten der Schule fragen müsse. Auch meine eigentlich als Höflichkeitsfloskel gemeinte Frage, ob ich den Gebäudekomplex fotografieren dürfe, verweist er an den Präsidenten.

Er bittet mich aber dringend, einen Kontakt mit ZIM für ihn her zu stellen. Er hätte da einige Ideen für eine Zusammenarbeit. Das verspreche ich.

Mit Fahim suchen wir also als nächstes den Präsidenten auf. Der residiert einige Häuser weiter in einem Komplex, der fast so groß ist, wie die Schule, aber mehr an eine Kaserne erinnert. Vorne ist das Hoftor mit einem bewaffneten Posten, dann ein karger Garten und etwa fünfzig Meter von der Straße entfernt das eigentliche Gebäude.

Der Posten lässt uns erst nach einer längeren Unterredung passieren und drückt uns ein abgegriffenes Pappkärtchen mit Nummer in die Hand. Über eine große Innentreppe gelangen wir in den ersten Stock und durch ein Vorzimmer in den Saal des Präsidenten. Der sitzt hinter einem wuchtigen Schreibtisch und ist ein älterer, streng aussehender Herr. Rechts neben ihm sitzt ein weiterer Mann, mit dem Fahim kurz redet. Daraufhin bekommen wir zwei der vielen Stühle zugewiesen, die links und rechts an den Wänden aufgestellt sind.

Es ist ein reges Kommen und Gehen, etliche Leute wenden sich mit Anfragen an den Präsidenten, die er kurz entscheidet, um sich dann der nächsten Person zuzuwenden. Nach einer Weile sind auch wir an der Reihe. Ja, die Schule könne ich mit den Lehrlingen besuchen, entscheidet der Präsident. Aber er könne es keinesfalls zulassen, dass ich fotografiere. Erst neulich wäre ein Deutscher da gewesen, der ebenfalls Bilder gemacht hätte. Dieser Mann habe erzählt, dass er vielleicht Hilfe für die Schule organisieren könne. Aber bis jetzt wäre keinerlei Geld gekommen.

Nur mit Mühe kann ich mir eine blöde Bemerkung (die Fahim sowieso nicht übersetzt hätte) verkneifen, schließlich bringt es der Schule auch nichts, wenn ich keine Bilder mache. Für wen er wohl das Geld wollte? Höfliche Grüße wechselnd, verlassen wir den Raum, geben dem Wachposten den Pappzettel wieder und verabschieden uns vor dem Tor. Ich bin Fahim sehr dankbar für die Mühe und Zeit, die er für mein Anliegen aufgebracht hat.

Später habe ich zusammen mit Arnold noch einen Termin in der Schule: Arnold spricht mit dem Direktor und ich mit dem Fachlehrer für Holz, um den Besuchstermin mit den Lehrlingen zu vereinbaren und die Werkstätten schon einmal zu sehen. Leider sind wir etwas zu spät und Fahim erklärt mir, der Fachlehrer für die Holzwerkstatt sei inzwischen wieder gegangen. Auch für Arnold wird im Gespräch mit dem Direktor kein klares gemeinsames Projekt sichtbar, so dass wir unverrichteter Dinge wieder fahren.

16. Februar