Basta! Berlin! Mitten in Kreuzberg, eine freundliche Insel auf der man sich zu Hause fühlt

Das Basta in Berlin. Solche Orte habe ich vermisst in den letzten Jahren in Berlin, aber es gibt sie noch oder besser es gibt sie immer wieder. Zufällig geraten wir hier rein. Von einem Tisch grüßen uns ein paar nette Gesichter. Offensichtlich haben sie das hier aufgemacht. In der Ecke gibt es einen alten Kohleofen und auf den Tischen stehen Wassergläser mit einer Peperoni und einer Blume. Die kleine Theke ist auch ganz lieb gemacht mit Blümchen, einer Schale mit Streichhölzern und einigen aufgestapelten Zitronen. Wir bestellen uns ein Hefeweizen während ein Gast dem „Barkeeper“ vorführt, wie man so ein Bier professionell mit einer auf den Kopf gedrehten Flasche einfüllt. Unser „Barkeeper“ macht es sofort nach und natürlich geht das halbe Bier daneben. Sympathisch unprofessionell, aber Pegah (so heißt sie, erfahre ich später) findet das gar nicht so lustig. „Warum musst Du auch alles nachmachen?“, fragt sie und bringt die Sache in Ordnung.

Jetzt lerne ich aber erstmal Carsten kennen. Er sieht aus, wie mein alter Freund James aus dem Studententheater in Melbourne. Unglaublich! So eine Ähnlichkeit! Sein Lachen, seine Bewegungen, seine Körperhaltung! Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass er auch Schauspieler ist. Er spielt mit Pegah im Hau drei vom Hebbel-Theater und er hat den Treffpunkt gerade erst vor einer Woche aufgemacht, erzählt er mir. Der Vertrag läuft zunächst drei Monate.

Ich: „Und was wollt ihr jetzt hier machen?“
Carsten: „Das ist hier ein Treffpunkt für unseren Verein zur Künstlerförderung und alle die hierher kommen sollen wie Freunde behandelt werden! Bald soll es noch viel mehr zu sehen geben bei uns. Auftritte von Musikern, Tänzern und Schauspielern. Sie treten hier ohne Gage, aber mit dem Herzen auf und deswegen berühren sie auch die Herzen der Menschen. Hier spielen nur Leute, die die Herzen der Menschen berühren.“

Eine ganz wunderbare Idee finde ich.

Carsten ist weg und plötzlich sitzt Pegah mit mir am Tisch. Sie ist 1985 als kleines Mädchen mit ihren Eltern aus dem Iran gekommen. Jetzt spielt sie auch im Theater und kennt Carsten daher.

Ich: „Und wer kommt sonst so her?“
Pegah: „Alle möglichen Leute und alle sollen kommen!“
Jetzt legt sie wieder was Neues auf den Plattenteller (Goran Bregovic).
Pegah: „Besonders mag ich Zigeunermusik.“, lacht sie und verschwindet schon wieder Hände klatschend zum Takt der Musik.

Ich hole mir eine selbst gemachte Piadina mit Spinatfüllung. Hmmm! Einfach zu lecker! … Und so hole ich mir gleich noch eine Zweite… und denke: Alles hier muss aufgeschrieben werden! Die Stimmung hier muss festgehalten und aufgesogen werden, bevor der Abend vorbei ist! Vielleicht wird diese Bar nie wieder so sein, wie an diesem Abend!

Währenddessen sitzt Jan zusammen mit Ronja am Tisch. Sie wartet eigentlich auf Ben aus New York, den sie zwei Jahre nicht gesehen hat. Aber jetzt lässt er sie noch länger warten. Nun, ruft er schon wieder an und sie wirkt langsam wirklich etwas genervt. Hm.

Ich unterhalte mich nun mit Karsten (mit K). Er ist seit zwei Jahren DJ. Letzten Sonnabend hat er die Stimmung zum Kochen gebracht mit seiner verrückten Musikmischung. Und jetzt wollen sie hier jeden Sonnabend so eine Party steigen lassen.

Ich: „Und was spielst Du so?“
Karsten: „Am Anfang Easy Listening, später Soul, Funk, Rock’n’Roll. Ich spiele zum Beispiel gerne die alten Sachen wie: ‚Raindrops keep falling on my arms’ von B.J. Thomas.“
Ich: „Cool!“
Karsten: „Ja oder so was wie Shaolinsoul, zum Beispiel Labi Siffre – ‚I got the blues’ und Funky Stuff wie Meters oder alte Rock’n’Roll-Sachen von Elvis oder ja! Queen!“

Karsten kennt die Crew hier auch durch einen Schauspiel-Workshop. Nur Schauspieler hier im Moment, denke ich. Er kommt ursprünglich aus Kiel und wohnt in Berlin in der Yorkstraße.

Ich: „Und wie ist das Leben da?
Karsten: „Ja das Leben in Berlin. Heiter bis wolkig und auch sonnig.“
Ich: „A-ha.“
Karsten: „Alles eben. Teilweise ist es ganz schön, manchmal aber auch anstrengend. Mir fallen tausend Sachen ein! Berlin. Berlin hat eine graue Romantik. Es ist undurchsichtig. Es lebt.“
Ich: „Was denkst Du über die Berliner Stimmung? Gibt es die überhaupt?“
Karsten: „Es gibt keine Berliner Stimmung. Berlin ist abhängig von sich selber. Berlin ist sich selber ausgeliefert, aber jeder weiß es! … Weil es hier keine Inspiration gibt, macht sie jeder selber. Du erwartest soviel, wenn Du nach Berlin kommst, aber irgendwie checkst Du, das hier nur Suchende sind. Ist eine verrückte Stadt mit Typen, sag ich Dir. Wer entlarvt wen zuerst. Wer hat die beschissenste Frisur. Sowas eben..“
Ich: „Hm, ja, verstehe.“
Karsten: „Das solltest Du aber alles nicht schreiben, ist nicht so wichtig.“
„Doch“, sage ich. „Sehr inspirierend! Ein frischer Blick auf die Stadt und nicht immer nur diese Großstadtromantik!“

Nun trifft Ben aus New York ein und setzt sich zu uns. Er lebt bereits zehn Jahre in Deutschland und arbeitet für Adidas in Stuttgart. Sie haben am nächsten Tag eine Pressekonferenz und deswegen ist er in der Stadt. Über Berlin hat er nicht soviel zu erzählen: „What can I say? In Berlin somebody found a couch on a trash bin and opened a bar! In New York you need real money to open a bar. It is not like here.“

Ein Berliner Unikat mit einem langen schwarzen Mantel kommt herein. Man sieht es gleich. Flex, heißt er und hat eine raue Stimme, die fasziniert. Flex schreibt.

Ich: „Und was so? Romane?“
Flex: „Nein, Romane sind zu langwierig. Es dauert einfach zu lange. Poesie!“
Ich: „Ah, ja und welche Richtungen?“
Flex: „Meine Richtung sind viele Richtungen. Was mich im Moment interessiert, darüber schreibe ich.“
Ich: „Und was inspiriert Dich?“
Flex: „Was mich inspiriert ist das Leben, aber das ist banal. .. so etwas zu sagen…“
Ich: „Und was waren Deine letzten Gedichte?“
Flex: „Meine letzten Gedichte? ‚Endlich wieder Nacht’“
Ich: „Ja. Hm.“
Flex: „Ja, das fällt mir gerade ein.“

Es ist halb zwei. Am liebsten hätte ich mich noch mit den Leuten aus Dagestan vom Nebentisch unterhalten. Aber wir brechen auf. Am Tisch knutschen Ronja aus München und Ben aus New York ganz schön wild. Darauf musste sie auch ziemlich lange warten. Carsten und Pegah verabschieden uns so wie alle ihre Gäste persönlich. Der Abend hat begonnen mit Wissenschaftlern, die über ein Neues Denken sprechen und er endet mit Menschen, die es einfach tun. Hier ist Berlin – mitten in Kreuzberg, eine freundliche Insel auf der man sich zu Hause fühlt.

 

* Das "Basta!", Treffpunkt des Vereins zur Künstlerförderung, befindet sich in der Falckensteinstraße 46 (neben dem San Remo) in Kreuzberg kurz hinter der Oberbaumbrücke, wenn man vom Friedrichshain kommt. Die nächstgelegene U-Bahnstation ist U1 Schlesisches Tor.

5 thoughts on “Basta! Berlin! Mitten in Kreuzberg, eine freundliche Insel auf der man sich zu Hause fühlt

  1. Mario, sehr schön hast du
    Mario, sehr schön hast du geschrieben! Es lädt dazu ein, vorbeizuschauen
    und inspiriert die Berliner Stimmung auf dieser Seite…
    Besito, ulli

    1. Berliner Stimmung – jeden Tag von Neuem
      Ich freu mich, wenn ich Inspiration verbreiten kann! Und nicht vergessen, die Berliner Stimmung muss jeden Tag von Neuem kreiert werden! Baci! Mario

  2. ekel bier
    da gibt es einen schönen text von max goldt, der darüber aufklärt wie widerlich es ist dreckige in kellern gelagerte flaschen bier zum einschenken in das getränk zu tunken….
    fRED

    1. Falls der Text irgendwo online ist..
      Hi fRED! Ist ja interessant. Falls der Text irgendwo online ist, lass es uns wissen! Ansonsten Alles Gute mit dem VJ-Verein und keep uns posted, wenn es was Neues gibt!

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