Australische Nationalnarrative: Die Eureka Stockade

In den frühen Morgenstunden des 3. Dezembers 1854 wurden ca. 200 aufständische Goldsucher, die sich in einer improvisierten Barrikade (stockade) in der Nähe von Ballarat verschanzt hatten, von einer Attacke durch Regierungstruppen und Polizeibataillone überrascht. Nach einem heftigen Kampf von etwa 20 Minuten war alles vorüber und die Rebellion niedergeschlagen. Insgesamt gab es 60 Todesopfer, 46 bei den Verteidigern und 14 auf der Seite der Angreifer. Die überlebenden Aufständischen wurden in Gewahrsam genommen. Viele weitere wurden verletzt, unter ihnen der Anführer der Rebellen, Peter Lalor, der mithilfe von Freunden und Sympathisanten in der Bevölkerung aber zunächst der Festnahme entgehen konnte, nur um einige Tage später doch gefasst zu werden. Diese kurze Zusammenfassung der Geschehnisse lässt kaum einen Rückschluss zu, welchen Stellenwert Eureka einnimmt, heute eines der wichtigsten australischen Nationalmythen. Um diese Frage näher zu betrachten werde ich zunächst eine Zusammenfassung der historischen Ereignisse geben. Darauf folgt eine Einschätzung der direkten politischen Konsequenzen und in einem dritten Schritt ein Abriss der Mythifizierung Eurekas. Den Abschluss bildet der Versuch, eine Einschätzung des heutigen Stellenwertes in der australischen Gesellschaft zu geben.

Historischer Kern[1]

Die wahre Brisanz der Eureka Stockade liegt nicht so sehr in der halben Stunde von Ballarat, sondern vielmehr in den Ereignissen in den Wochen und Monaten zuvor, auf den Goldfeldern, in Melbourne und London, sowie in dem direkten Nachspiel um den Prozeß der Stockader.

Im Frühjahr 1853 wurde in Victoria Gold gefunden. Die Nachricht breitete sich sofort in aller Welt aus. Ein neuer Goldrausch, ähnlich dem in Kalifornien, brach aus. Für die Kolonie hatte das weitreichende Konsequenzen. Innerhalb eines halben Jahres vervierfachte sich die Bevölkerung. Doch trotz des enormen Zustroms an Arbeitern kam die vor allem auf Schafzucht ausgerichtete Wirtschaft durch Arbeitskräftemangel so gut wie zum Erliegen. Die Mehrheit der erwerbsfähigen Erwachsenen der Kolonie fand sich auf den sich ausbreitenden Goldfeldern ein, um ihr Glück dort zu suchen. Dabei waren es nicht nur einfache Arbeiter, die sonst kaum eine Chance auf den sprunghaften sozialen Aufstieg gehabt hätten, den ein Goldfund ermöglichte. Es waren auch Gelehrte, ausgebildete Ingenieure und selbst ein Richter des obersten Gerichtshofes der Kolonie in den diggings tätig. Nicht nur kamen sie aus allen Professionen, sondern auch aus aller Herren Länder. Jedoch kam die Mehrheit aus den Vereinigten Staaten und Europa. Und mit ihnen kamen die freiheitlich-revolutionären Ideale und Praktiken, die in den Freiheitskämpfen von 1848 in Mitteleuropa gerade weite Beachtung gefunden hatten. Die besonders große Gruppe der Iren zum Beispiel stand noch unter dem direkten Eindruck des gescheiterten Osteraufstandes in Dublin. Dementsprechend gehörten politisches Agitieren und demokratische Versammlungen zum täglichen Leben auf den Goldfeldern, zusammen mit härtester physischer Arbeit, der extremen Witterung, feindlicher Natur, sich unkontrolliert ausbreitender Kriminalität und den berüchtigten Lizenzjagden.

Hierbei handelte es sich um den Versuch der Kolonieleitung, die maroden Finanzen Victorias aufzubessern. Der scheidende Governor-General La Trobe hatte ein System eingeführt, nach dem jeder Erwachsene, der die Goldfelder betrat, für die erhebliche Summe von einem Pfund eine monatlich zu erneuernde Lizenz erwerben musste. Lizenzpreller wurden mit Strafen von horrenden fünf Pfund oder fünf Jahren Haft belegt. Die Zahlung der Lizenz wurde durch regelrechte Jagden auf Goldsucher durchgesetzt, die vom Distriktkommisar geplant und regelmäßig von der notorisch gewalttätigen Hilfspolizei ausgeführt wurden. Selbst die sich sonst in ihrer Interpretation von Eureka eher opponierenden Historiker Weston Bate und Geoffrey Blainey sind sich einig, dass dieses System mit der größte Faktor war, der die Goldsucher in die Stockade und zur Rebellion trieb – obwohl sie sich zunächst damit zufrieden gaben, immer wieder und über Monate hinweg Beschwerdebriefe und gemeinsame Petitionen an den Governor-General nach Melbourne zu schreiben (Bate, 1978, S. 35).

Am 18. August 1854 kam der neue Gouverneur, William Hotham, in der Kolonie an. Er wurde vor allem auf den Goldfeldern mit viel Enthusiasmus und Hoffnung auf überfällige Veränderungen in der Verwaltung begrüßt. Aber schon bei diesem euphorischen Antrittsbesuch nutze der ehemalige Marineadmiral die Gelegenheit zum Ausspähen von nützlichen Verteidigungsstellungen und den Planungen zur Niederschlagung einer eventuellen bewaffneten Rebellion. Da ihn das Home Office in London mit dem Auftrag entsandt hatte, den Haushalt der Kolonie zu sanieren, hatte er sich früh entschieden, mit harter Hand zu regieren. Die Frequenz der Lizenzjagden wurde erhöht und der Ton der Ablehnung der Petitionen schärfer. Die Unzufriedenheit auf den Goldfeldern stieg. Es kam zu sog. monster meetings von bis zu 10 000 Goldsuchern auf einmal, bei denen radikale Agitatoren nach Veränderungen riefen. Dabei spielte vor allem die ursprünglich aus England kommende früh-sozialistische, demokratische Chartisten-Bewegung eine große Rolle, die allerdings gespalten war durch unterschiedliche Einstellungen zu gewalttätigen Taktiken (gewaltbereite radicals gegen moral force Chartisten).

Am 10. November wurde unter mysteriösen Umständen einer der bekannteren und beliebteren Goldsucher ermordet. Hauptverdächtig war der Besitzer der einzigen Kneipe auf dem großen Eureka Goldfeld, dem Eureka Hotel, mit Namen John Bentley, der dafür bekannt und verhasst war, auch Geschäfte mit der Polizei und der Distriktverwaltung zu betreiben. Bentrley wurde allerdings bei dem Prozess zehn Tage später trotz erdrückender Beweislast vom Distriktmagistrat freigesprochen. Was den diggers als eklatante Rechtsbeugung erschien, brachte sie in einem weiteren Massentreffen zusammen, auf dem Peter Lalor und andere moral force Leute noch Zurückhaltung predigten, das allerdings mit dem Abbrennen des nahe gelegenen Eureka Hotels endete.

Zunächst blieb alles relativ ruhig, aber einige Tage später wurden auf direkten Geheiß von Gouverneur Hotham drei Redner des Massentreffens festgenommen. Daraufhin organisierten sich die aufgebrachten Elemente auf dem Eurekafeld auf einer weiteren massenhaften Zusammenkunft in der sog. Ballarat Liga für Reformen (Ballarat Reform League). Nachdem in einem feierlichen Akt eine Fahne gehisst worden war[2], sandten sie eine Delegation nach Melbourne zum Gouverneur mit einer umfassenden Analyse der Zustände in der Kolonie und einer Zusammenstellung ihrer Forderungen, unter anderem der Freilassung der Gefangenen, des aktiven und passiven Wahlrechtes für das Parlament, der Auflösung des Lizenzsystems und der Untersuchung der korrupten Machenschaften von Polizei und Verwaltung auf den Goldfeldern. Hotham lehnte pauschal alles ab und nahm besonderen Anstoß an der forschen Formulierung („demands“). Stattdessen entsandte er zusätzliche Truppen nach Ballarat.

Zusätzlich angespornt von der scharfen Rhetorik seines Vorgesetzten, veranlasste der Distriktkommisar von Ballarat für den Morgen des 1. Dezember eine erneute Lizenzjagd für das aufrührerische Eureka Goldfeld. Die dabei verübten Gewalttaten brachten die Goldsucher zu Mittag in einem erneuten Massentreffen zusammen. Es wurden Reden gehalten, in denen die Vertreter von radikalen Maßnahmen diesmal die Oberhand behielten. Selbst der eigentlich zurückhaltende irische Ingenieur Peter Lalor war so aufgebracht, dass er sich zum Oberbefehlshaber der Rebellen wählen ließ. Anschließend ließ er alle Anwesenden schwören: „We swear by the Southern Cross, to stand truly by each other, and fight to defend our rights and liberties.“ (Bate, 1978, S. 123). Der radikale Intellektuelle aus Italien, Raffaello Carboni, forderte alle Anwesenden auf, dass Kreuz des Südens auf der Fahne zu grüßen als: “refuge of all the oppressed from all the countries on earth, irrespective of nationality, religion and colour.“ (Carboni, 1855/1963, S. 87).[3] Sofort danach begann der Bau einer improvisierten Verteidigungsstellung an der Straße nach Melbourne. In deren Mittelpunkt wurde eine frisch genähte Fahne gehisst, mit dem weißen Sternenkreuz des Südens auf blauem Grund.

Nach zwei Tagen waren für die Nacht die meisten der Aufständischen nach Hause gegangen, nur ein paar Hundert waren in ihren Zelten innerhalb der Holzpalisade verblieben. Im Morgengrauen dieses dritten Dezembers dann kam die Attacke.[4]

Erste Konsequenzen

Der Kern des Eureka Mythos wäre nicht komplett, ohne die Ereignisse im unmittelbaren Anschluss in Melbourne. Dort hatten nicht nur Hotham und seine Verwaltung die Entwicklungen in Ballarat aufmerksam verfolgt. Auch die Öffentlichkeit hatte via Printmedien regen Anteil genommen. Eureka war Tagesgespräch und Stoff von täglichen öffentlichen Zusammenkünften ähnlich der monster meetings auf den Goldfeldern. Als bekannt wurde, dass die Anführer von Eureka in Melbourne vor Gericht gestellt werden sollten, rief der Oberbürgermeister zu einer solchen Versammlung auf, um den Aufstand zu verdammen und die Loyalität der Kolonie zur Krone zu proklamieren. Zehntausende nahmen an diesem und einem weiteren Treffen teil. Allerdings gelang es radikalen Rednern zu beiden Gelegenheiten, die Sympathie des Volkes aufzugreifen und die Versammlungen in Solidaritätskundgebungen für die Goldsucher zu verwandeln.

Am 23. Dezember wurde dann den dreizehn Rädelsführern vor dem Victorian Supreme Court im Melbourne Gaol der Prozess gemacht. Der Vertreter der Krone hatte sich im Vorfeld auf die Anklage Hochverrat festgelegt, was bei einer Verurteilung automatisch die Todesstrafe nach sich gezogen hätte.[5] Während der Beweisaufnahme konnten aber nur Belege für bewaffneten Aufstand gefunden werden. Die Jury sprach dementsprechend alle Angeklagten frei. Sie wurden unter dem Jubel der Bevölkerung als Helden durch die Straßen Melbournes getragen. Vor allem wegen der offensichtlichen Sympathien in der Bevölkerung kam es zu keiner Neuauflage der Verfahren. Die tumultartigen Szenen in der Stadt bewegten den Gouverneur auch dazu, die wichtigsten Forderungen aus den Petitionen von den Goldfeldern zu erfüllen. So genehmigte Hotham zum Beispiel die Einrichtung von Sondergerichten auf den Goldfeldern, die von den diggers selber betrieben wurden. Das verhasste Lizenzsystem wurde mit einer Ausfuhrtaxe auf Gold und einem stark verbilligten Schürfrechtesystem ersetzt. Außerdem wurde mit der Ankunft der neuen Verfassung das allgemeine Wahlrecht für Männer eingeführt und in der Legislativkammer des Parlaments wurden Sitze für die Vertreter der Goldsucher geschaffen. Peter Lalor und der moral force Chartist Humphrey wurden die ersten gewählten Repräsentanten auf diesen Sitzen.

Ende 1855, ein Jahr nach Eureka, verstarb Gouverneur Hotham; und alle ursprünglichen Forderungen der Ballarat Reform League waren inzwischen in geltendes Recht umgesetzt worden.

Mythos Eureka

Die Interpretation von Eureka ist über die Jahre sehr unterschiedlich ausgefallen. Fast das ganze politische Spektrum hat sich beizeiten darauf berufen. Dr. Anne Beggs-Sunter fasst es gut zusammen, wenn sie schreibt:

[quote] The Eureka Stockade has been variously described as a riot, a rebellion, a revolt, an attempted revolution and a massacre. The motivations of those men who took up arms against the colonial government have been described in a myriad of ways, from greedy self-interest to ideological vision, depending wether they have been characterised as drunken ex-convicts, foreign opportunists, British Chartists or Irish republicans. Eureka has provided a message to each succeeding generation. The message has been interpreted in different ways, allowing a widely disparate spread of organisations to use its symbolism. From the anti-Chinese protesters at Lambing Flat in 1861, to the striking shearers at Barcaldine in 1891, to the Australian Army fighting the Japanese in World War Two, to the Communist Eureka Youth League formed in 1941, to National Action and the Australian Independence Movement in the 1970s, to small businessmen in the 1990, to the S11 anti-globalisation protests in Melbourne in 2000 – all have invoked the Eureka precedent of making a stand in the face of oppression. (Anne Beggs-Sunter, 2002, S. 4) [/quote]

Für eine Betrachtung der Entwicklung des Mythos Eureka Stockade sind vor allem drei Phasen der kurzen Geschichte Australiens interessant: die Jahre direkt nach 1854, die nationalistische Phase von 1890 an und die Zeit vom II Weltkrieg bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Genau ein Jahr nachdem der Eureka Hotel Pub gebrannt hatte, gab Raffaello Carboni sein Buch „The Eureka Stockade – The Consequences of Some Pirates Wanting on Quarter-deck a Rebellion.“ heraus.[6] Er beschrieb darin die Ereignisse, wie er sie selber erlebt hatte. Carboni war ein italienischer Aktivist, der auf den Goldfeldern schnell in die Führungsriege der unzufriedenen, politisch aktiven digger aufstieg, wo er als intellektuelles Sprachrohr und Übersetzer viel Arbeit leistete – so wird er zum Beispiel als eigentlicher Autor des Eides und der letzten Petition geehrt. Er gehörte mit zu den dreizehn Angeklagte in Melbourne. Sein Buch ist durchaus kritisch gegenüber den zurückhaltenden Kräften auf den Goldfeldern und spricht sich offen für radikal-demokratische Reformen aus. Es ist das meist beachtete Dokument, das zum Eureka Mythos gehört, und ist über die Jahre immer wieder neu aufgelegt und interpretiert worden. Hier ist mit Thomas Keneally, dem Herausgeber der Ausgabe von 1993, festzuhalten, dass für Carboni Eureka trotzdem wohl weniger ideologisch geladenes als Republikanismus bedeutet, sondern eher das praktische Einfordern von Gerechtigkeit („fair go“).[7]

Nachdem die progressiven Magazine in Melbourne, vor allem Argus und die neu gegründete The Age, die auch schon die Ereignisse selber wohlwollend begleitet hatte, Carbonis Buch gebührend gefeiert hatten, wurde es merklich ruhiger um Eureka. Mit Ausnahme einiger Historiker, die in ihren allgemein-australischen Geschichtsbüchern Eureka erwähnten – unter ihnen auch einer der Beteiligten, Westgarth, gab es 30 Jahre lang keine neuen Versuche die Geschichte Eurekas neu zu schreiben.[8] Nicht einmal eines der sonst so populären Volkslieder wurde den Männern von Eureka gewidmet.[9]

Dieses vermeintliche Desinteresse änderte und verkehrte sich ins Gegenteil zum Ende der 1880er Jahre hin, mit dem Erstarken nationalistischer Gefühle und Einstellungen in der Kolonie. Laut der Ikone der australischen Geschichtsschreibung, Manning-Clark, waren es vor allem die Autoren Victor Daley und Henry Lawson, die Eureka in den Mittelpunkt ihrer Kampagne zum Aufbau eines genuin australischen Nationalgefühls stellten (Beggs-Sunter, S. 15).. Es fiel Lawson zu, die Stille der Künstler um Eureka zu brechen, mit seinen Gedichten „Blood on the Wattle“ und „Republican Pioneers“, die die Heldentaten der digger glorifiziert und ihre Tapferkeit in einen breiteren Kontext von australischen Tugenden und einer australischen Republik stellt (Lawson, 1921, S. 112).[10]

Daneben arbeitete vor allem J. Archibald in seinem radikal-nationalistischen und republikanischen Magazin, dem Bulletin, am Mythos Eureka. Mit feuriger Rhetorik verdammte er nicht nur die korrupten, geldbesessenen und visionslosen Politiker, er pries auch die Goldsucher für den wahren australischen Geist, den sie 1854 vorgelebt hatten. So schrieb er zum Beispiel am 21. Januar des Jahres 1888:

[quote] The old impulse is not dead, however, though the land-thief and the labour-thief rig our markets and shark our estates; though our politicians sell us for an empty distinction and barter our birthright for a mess less that royal pottage- The people of Australia – the true, the genuine Democrats, the Australians – refuse to celebrate the landing of Phillip; they look across the Murray for the one representative act of their nationality; they look across the ocean for the one representative utterance which foretells their future, and they find their exemplars in the rebellious miner, Lalor, who by his heroic action in heading the diggers in revolt against unjust and tyrannical authority, furnished forth a precedent to Australia, which all Australians worthy of the name should inscribe in letters of indelible print within the red-laced tablets of their hearts. (Cathcart/Smith, 2004, S. 7, meine Hervorhebungen)[11] [/quote]

An gleicher Stelle forderte er nicht nur, endlich ein geeignetes Denkmal zu errichten, sondern auch den 3. Dezember zum Feiertag der Kolonie und Nationalfeiertag einer zu errichtenden Republik auszurufen. Das kam auf den öffentlichen Versammlungen in Melbourne gut an, wo alsbald auch die Flagge mit dem Kreuz des Südens wieder zu sehen war.

Der Höhepunkt der Begeisterung für Eureka kam 1891 mit dem legendären Streik der Schafscherer in Queensland, der Gründungsmoment der australischen Arbeiterpartei (ALP). Auf den von den radikalen Streikenden errichteten Barrikaden wurde wieder die Eurekaflagge gehisst und in ihren Forderungen bezogen sie sich explizit auf die „glorious revolution of 1854 in Ballarat.(Beggs-Sunter, 2002, S. 71) Selbst Mark Twain war äußerst angetan:

[quote] It is the finest thing in Australasian history. It was a revolution – small in size, but great politically; it was a strike for liberty, a struggle for principle, a stand against injustice and opression. […] It was another instance of a victory won by a battle lost. It adds an honourable page to history; the people know it and are proud of it. They keep green the memory of the men who fell at the Eureka Stockade. (Zitiert nach Beggs-Sunter, 2002, S. 254)[12] [/quote]

Und Karl Marx sah Eureka als den Beginn eines Aufstands der Arbeiterklasse und die Grundlage für die Einführung des Sozialismus in Australien (Wiedergegeben in Gold, 1917, S. 111).[13]

Allerdings kumulierte in dieser Zeit auch eine andere Tradition, nämlich diejenige, die Eureka fälschlicherweise mit den anti-chinesischen Ausschreitungen auf anderen Goldfeldern gleichsetzt und in Eureka auch einen Kampf um die Reinhaltung der anglo-keltischen Rasse und der Abwehr von billigen Arbeitskräften aus Asien sieht. Diese rassistische Lesart hat sich leider über die Scherer in die ALP fortgesetzt.

Eine Reihe Historiker des ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert haben diese Zeit des aufstrebenden australischen Nationalismus 100 Jahre vorher als den Moment bezeichnet, ab dem Eureka offensichtlich aus dem Kontext der ursprünglichen Intention herausgenommen, instrumentalisiert und appropriiert wurde. McKenna und Stephen Alomes kommen unabhängig voneinander zu der Einsicht, dass Eureka nur im Nachhinein ein Ausdruck von australischem Nationalismus wurde und dass, obwohl es eigentlich keine republikanische Rebellion war, Eureka Gewicht bekam als Symbol der Unabhängigkeit und der Träume radikaler Nationalisten. (McKenna, 1996, S. 100 sowie Alomes, 1988, S. 13). Der Kulturhistoriker Peter Cochrane geht noch einen Schritt weiter: Eureka is deliberately constructed as part of a new republican heritage. (Cochrane, 1994, S. 17). Eine Idee, die vor allem auf den einflussreichsten Kultur- und Geschichtsinterpreten Australiens nach Manning-Clark, Richard White, zurückgeht. Er hatte mit seinem paradigmatischen Buch Inventing Australia – Images and Identity 1688-1980 eine systematische Analyse der Motive und Prozesse hinter der Entwicklung von australischen Nationalstereotypen entwickelt. Auf Eureka eingehend, vermerkt er, dass es ursprünglich von der kolonialen Oberschicht als ur-Britische Erhebung gegen Tyrannei gesehen wurde, und erst in den 1880ern einen eigenen, australischen Anstrich bekam. (White, 1981, S. 56). In seiner Studie History as Social Memory geht der Kulturwissenschaftler Chris Healy mit dieser Sicht konform. Er schreibt:

[quote] The abstraction and formalisation of Eureka as a historic event was not achieved in one moment or enunciation. The transmission of 'the event' as a story told by eyewitnesses, as oral tradition and as print narrative took place simultaneously as a dynamic process which shifted and changed over many years. In the late-nineteenth and early twentith century the story of Eureka became not just an episode nor an event in a general historical narrative but lost much of its specificity in becoming a component in fully fledged meta-narratives, the two most important of which were Laborism and nationalism. (Healy, 1997, S. 154) [/quote]

Innerhalb von 50 Jahren hatte sich Eureka als Erzählung verselbstständigt und war in den Dienst von übergeordneten Narrativen, den australischem Nationalismus und dem Arbeiterklassenkampf, gestellt worden.

Mit der Vereinigung der Kolonien zum Commonwealth von Australien und seiner Beteiligung am I Weltkrieg war die Nation greifbare Realität geworden und es stellten sich neue, vor allem soziale, Fragen. Gleichsam als Gegengewicht zur ANZAC Legende beschwor der Historiker R. S. Ross in seinem Buch Eureka: Freedom's Fight of '54 (Ross, 1917) die Stockade als ersten Streik in Australien und unterstellte den Goldsuchern einen sozialistischen Hintergrund. Bewundernd sprach Ross von dem Leuchtturm Eureka, der Australien den Weg aufzeigen würde. Gleichzeitig warf er seinen Vorgängern und bourgeoisen Kollegen vor, nicht die passende Verortung in Arbeiterklassenstellung gehabt zu haben, um Eureka angemessen zu verstehen (Ebd., S. 213. ). Er forderte alle kommenden Generationen auf, dem Beispiel der „warrior-diggers“ zu folgen und eine neue Gesellschaftsordnung zu errichten (Ebd., S. 214). Damit legte er die theoretische Grundlage für die gesamte sozialistische Interpretation von Eureka im 20. Jahrhundert.

Dies begann in den späten 1930ern, als sowohl der linke Flügel der ALP als auch die kommunistische Partei Australiens die Eureka Flagge zu ihrem offiziellen Symbol machten (Ganzer Absatz sinngemäß aus Beggs-Sunter, S. 97 ff). Im Jahr 1941 dann, gründete die KP eine Jugendabteilung, die Eureka Youth League. Die linken Großorganisationen beriefen sich auf Eureka in ihren Traditionserklärungen, aber für die Liga war Eureka das Kernstück ihrer marxistisch-nationalistischen Identität. Sie war es, die die Flagge zum ersten Mal massiv auf Demonstrationen einsetzte und damit einem breiteren Publikum vertraut machte – vor allem im Kampf gegen die verschiedenen Versuche durch den Premierminister Menzies, die KP zu verbieten. In den 60ern übernahm dann die notorisch militante Gewerkschaft der Bauarbeiter (Builders Labourers Federation, kurz BLF) die Fahne und die Anlehnung an den „ersten Streik“ Eureka. Weitere Gewerkschaften folgten ihrem Beispiel (Elektriker, Lehrer, Berufsfahrer, Hafenarbeiter uvm.). Zusammen trugen sie Eurekafahnen auf den Moratoriumsmärschen gegen den Vietnamkrieg in den späten 60ern und frühen 70ern. Zu dieser Zeit übernahm eine weitere aufstrebende linke Gruppe Eureka als Leitmotiv, die Maoisten. Sehr aktiv zur Vietnamzeit hatten sie sich schon zur Zeit der Proteste rund um die Entlassung des Premierministers Gough Whitlam (ALP) in 1975 durch den Vertreter der Krone über die Bedeutung Eurekas zerstritten. Einige Splittergruppen hielten die Goldsucher von 1854 eher für Kleinbürger und Minikapitalisten und trugen zwar trotzdem weiterhin die Fahne, aber mit volksrotem Hintergrund. Whitlam selber hat den bisherigen Höhepunkt der politischen Aneignung von Eureka geschaffen in seiner Rede zur Enthüllung der restaurierten Fahne am 1.12.1973. Darin pries er die demokratiefördernden Elemente der Ereignisse, die unter anderem seine Vorstellungen von einem multikulturellen Australien unterstützen würden. Allerdings wolle er sie über die Parteipolitik der Zeit stellen und mit ihnen einen neuen, toleranten, demokratischen und humanen Nationalismus in Australien begründen.[14]

Erst recht seit seiner Entlassung und der folgenden Erstarkung der Bewegung für eine australische Republik hat sich die Fahne auch zum Symbol für die vollständige Unabhängigkeit von der britischen Krone entwickelt. Republikaner, Gewerkschafter und Maoistengruppen trugen Eurekafahnen – manche mit rotem Hintergrund – bei den Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und der Hafenarbeitergewerkschaft (MUA) im Jahr 1998 und bei den S11 Demonstrationen 2000 (Beggs-Sunter, S. 98).

Aber auch am anderen Ende des politischen Spektrums wurde Bezug auf Eureka genommen. Verschiedene Neonazigruppen – unter ihnen die Nationalsozialistische Partei Australiens in den 1940ern – stellen sich in die Tradition derer, die Eureka für australischen Nationalismus umgedeutet haben und fügen noch einen Mythos vom angeblichen Kampf der diggers um Rassenreinheit hinzu. Und auch bei dem letzten Einbruch nationalistisch-rassistischer Elemente in die öffentliche Wahrnehmung kam Eureka zum Einsatz. Pauline Hanson benutzte einschlägige Anlehnungen in ihren Reden und Eurekasymbole für das Werbematerial ihrer One Nation Partei (Ebd., S. 99). Darüber hinaus haben sich in jüngster Zeit noch viele andere Gruppen mit Eurekabezügen – meistens der Fahne – geschmückt. Dazu gehören so disparate Organisationen wie der Einzelhändlerverband, Opalminenarbeiter und Motorradrocker; und natürlich die Stadt Ballarat, wo nach vielen Irrungen das Original der Flagge in eindrucksvollem, wenn auch stark beschädigten Zustand ausgestellt ist.[15]

In den vergangenen 150 Jahren haben die Ereignisse von Eureka Eingang in so gut wie jede Kunstform, die in Australien praktiziert wird gefunden – mit der möglichen Ausnahme von Ballet. Zahlreiche Bilder, Romane, Gedichte, Lieder, TV Programme und einige Spielfilme haben den Stoff aufgenommen und sich vor allem der Apotheose des Rebellenanführers Peter Lalor gewidmet. Dabei scheint auffällig, dass, vielleicht mit Rücksicht auf den tragischen Ausgang, untypischerweise zumindest für das ausgehende 19. Jahrhundert eher Gedichte als Volkslieder produziert wurden. Die Ausnahme davon ist zum einen das Lalor verherrlichende Lied Victoria's Southern Cross, das Carboni angeblich schon in der Stockade selber verfasst und in seinem Buch über Eureka herausgegeben hat (Carboni, 1963/1855, S. 170). Zum anderen schrieben kommunistische Aktivisten aus der Eureka Youth League, Helen Palmer und Jack Blake, in den 50er Jahren mehrere Balladen über den heroischen Geist von Eureka, wie z.B. Ballad of Eureka und Beneath the Southern Cross (Beggs-Sunter, S. 126 f).[16]

Es sind über die Jahre etwa zehn Bühnenstücke produziert worden und drei unterschiedliche Musicals (1964, 1984, 2004). Obwohl letztere alle auf ein Massenpublikum ausgelegt waren, blieben sie relativ erfolglos – so musste die neueste Produktion bereits nach drei von zehn geplanten Aufführungswochen mangels Zuschauern abgesagt werden. Die Theaterstücke hingegen waren eher mit einem Auge auf politische und soziale Mißstände geschrieben worden und waren bei einem einschlägigen Publikum sehr erfolgreich. Als Beispiel ließe sich das Theaterpädagogikprojekt von David Young nennen, Eureka von 1974, das in der Form frei und mit Publikumsbeteiligung, im Inhalt anti-autoritär und auf Migranten abgezielt war (Ebd., S. 125).

Die Zahl der Romane und Kurzgeschichten, die sich mit Eureka beschäftigen ist (fast) endlos. Es scheint, dass etwa alle zehn Jahre der Stoff reif gewesen ist für eine Neubearbeitung. Hatte in den 1890ern noch das radikale Bulletin die literarische Standarte für Eureka geschwungen, so übernahmen das ab den 1950er Jahren die kommunistischen Literaturmagazine Meanjin und Overland, die die Produktion von Eurekaliteratur kritisch begleiteten. Dabei zerfällt diese grob gesagt in Abenteuergeschichten, Sozial-, Natur- und Liebesromanzen, sowie ideologisch unterfütterten Sozialrealismus mit dem Höhepunkt letzterens durch die kommunistischen Beiträge für die Hundertjahrfeier 1954.

Eines der eher auf spannende Handlung ausgelegten Bücher ist Rex Rienits Who Would be Free von 1944, das fünf Jahre später vom Filmemacher Harry Watt in einen Spielfilm umgesetzt wurde. Die beim Publikum sehr populäre Schwarz-Weiß Produktion mit der australischen Ikone Chips Rafferty in der Rolle des Peter Lalor ist bis heute die überzeugendste Filmfassung geblieben, während die zahlreichen Versuche aus der Frühzeit des australischen Films, den Eureka Stoff auf die Leinwand umzusetzen, längst vergessen sind. Ein erneuter Versuch der Verfilmung ist im Jahr 2000 an finanziellen Schwierigkeiten gescheitert. Allerdings hatte im gleichen Jahr eine Neuverfilmung der 50er Jahre TV Dokumentation durch die Australian Broadcasting Corporation (ABC) Premiere. Hinzu kommen einige Umsetzungen in speziell für den Schulunterricht produzierten Lehrvideos. Im Zuge der Hundertfünfzigjahrfeiern hat die Regierung des Bundesstaates Victoria auch neue Lehrmaterialien für den Schulunterricht herausgegeben, die die spärliche Verwendung Eurekas in bisherigen Geschichtswerken ergänzen soll.[17] Außer Henry Lawsons ausführlicher poetischer Beschäftigung mit Eureka[18], publizierten um die Jahrhundertwende auch Gravan Reilly und John Neilson aus Ballarat, sowie der Amerikaner George Hartley Gedichte über Eureka. Nach dem zweiten Weltkrieg und vor allem zur Hundertjahrfeier erschienen weitere in Overland – unter anderem von dessen Herausgebern, den späteren Maoisten Len Fox und John Manifold.

So hat sich Eureka als fruchtbarer Stoff für künstlerische Produktionen in Australien erwiesen. Dabei allerdings nicht immer ohne politisch-nationalistischen Zusammenhang. So schreibt zum Beispiel der Historiker Lance Palmer schon 1956 über die Mythisierung der australischen Geschichte in den 1890er Jahren, dass die fruchtbarsten Themen für den Mythenmacher die Episode von Eureka und die Figur des bushrangers gewesen wären[19]. Der bekannteste Vertreter der Neuen Linken Historiker, Stuart McIntyre, und Dekan für Geisteswissenschaften an der University of Melbourne will zwar die Auswirkungen von Eureka damals nur lokal begrenzt sehen, gesteht aber zu, dass die Eureka Rebellion ein formatives Ereignis in der nationalen Mythologie geworden sei.[20]

Stellung heute

Es ist sehr schwierig, über die Einschätzungen der Historiker und Kulturwissenschaftler hinaus, eine definitive Aussagen über den Popularitätsgrad von Eureka in der australischen Gesamtgesellschaft zu machen. Es gibt keine Studie, die quantifiziert hat, wie sehr sich ein Durchschnittsaustralier von Eureka berührt sieht. Aber es gibt eine Fülle von Indizienbelegen dafür, dass Eureka ein sog. household word ist, das jeder Australier zumindest einmal gehört hat. Schlägt man allein das Branchenverzeichnis von Melbourne auf, so findet man etwa 100 Betriebe, die Eureka im Namen führen. Dabei ist eine der drei großen Baufirmen (Eureka Inc.), die ihren Firmennamen auf dem höchsten Wohnhaus der südlichen Hemisphere und weiteren Baustellen weithin sichtbar präsentiert. Etwas eine Million Besucher sehen jedes Jahr in Ballarat die historische Nachstellung des Eureka Geschehens in der Sovereign Hill Experience.[21] Die Hälfte davon besucht auch das an der historischen Stelle errichtete Eureka Centre.[22]

Dazu gesellt sich ein Faktor, der den Bekanntheitsgrad von Eureka im öffentlichen Bewusstsein um ein vielfaches erhöht haben dürfte: die Feierlichkeiten und der Medienrummel um den 150. Jahrestag Anfang Dezember 2004. Das Mitte-linksblatt The Age, eine der vier großen Tageszeitungen, führte die Begeisterung an, mit einer vierwöchigen Eureka Stockade Reihe und bis zu vier Artikeln zu Eureka am Tag in den zwei Wochen vor dem 3. Dezember. Vom 22. November an gab es täglich öffentliche Veranstaltungen in Melbourne und Ballarat, Konferenzen, Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen und Filmvorführungen, die allesamt wiederum Medieninteresse hervorriefen. Am 1. Dezember begannen die eigentlichen Feierlichkeiten in Ballarat, deren Höhepunkt ein Sonnenaufgangsmarsch unter Beteiligung des Premiers und des Führers der nationalen Opposition (beide ALP) war. Alle fünf nationalen Fernsehsender berichteten bis zum 5.12. ausführlich in den Abendnachrichten über die Feierlichkeiten und assoziierte Themen. So bewegte die Nation z. B. die prominente Beteiligung des Vaters eines angeblichen Al-Kaida Terroristen an einem weiteren Marsch, die offensichtliche Nicht-Beteiligung von Vertretern der australischen Regierungsparteien (Liberals und Country Party), sowie eine Debatte über die Besitzrechte an der Eureka Flagge.[23]

Somit war die Eureka Stockade in allen TV konsumierenden Haushalten über mehrere Tage präsent. Damit lässt sich vorsichtig formulieren, dass zumindest eine Mehrheit der Australier zum Ende von 2004 mit den Geschehnissen von Eureka in Kontakt gekommen ist, das Wissen darum sprunghaft angestieg und zumindest für den Moment eine Sensibilisierung für Eurekathemen stattgefunden hat.

Eines der schwerwiegendsten Mankos bei der Einschätzung verbirgt sich hinter der Frage, wie weit das Eureka-Andenken überstaatlich verbreitet ist. Inwieweit ist Eureka nur im Bundesstaat Victoria bekannt, bzw. umfassend und in größerem Detail bekannt als in den anderen vier Staaten und zwei Territorien? Das umfassende Interesse der nationalen Fernsehsender, die allerdings sonst durchaus unterschiedliche regionale Schwerpunkte haben, würde eine Allgemeingültigkeit nahe legen, sagt aber nichts über den Grad der Vertrautheit mit Eureka über ein gewisses Grundwissen hinaus aus. Ich bleibe deshalb bei der vorsichtigen These, dass „Eureka Stockade“ der Mehrheit der Australiern ein Begriff ist und mit dem sie etwas Historisches und genuin Australisches assoziieren. Oder wie es einer meiner Interviewpartner ausgedrückt hat: „If you say 'Eureka', people don't say Archimedes!“ (Interview 10: AllisonDutka '7). Wie es sich mit eindeutig politisch interessierten Australiern verhält, soll in Kapitel 3 eingehender beleuchtet werden.


[1]Die weiteren Ausführungen stützen sich vor allem auf Bate, 1978, S. 14 ff.; und Beggs-Sunter, 2002, „A Chequered History“ S. 17-55.

[2]Diese Fahne wurde später unter dem Namen „Eureka Flag“ bekannt. Sie besteht aus einem stilisierten Kreuz des Südens mit den fünf Sternen in Weiß auf marineblauem Grund. Der Legende nach wurde sie von dem Kanadier und späteren Vizekommandeur der Goldsucher, Captain Ross, entworfen und über Nacht von den Gattinnen der Anführer in der kleinen Kirche auf dem Eureka Goldfeld unter Zuhilfenahme von Unterrockmaterial genäht. Unveröffentlichte Vorträge von Claire Wright und Anne Beggs-Sunter am 1.12.2004 an der Universität Melbourne. Vortrag5-7MU, '23.

[3]Der Hinweis auf die unterschiedlichen Bekenntnisse und Nationalitäten war nicht nur rhetorisch gemeint und an internationalistische Theorien angelehnt. Er bezog sich schlicht auf die Tatsache, dass die Goldsucher in der Stockade aus 30 verschiedenen Ländern kamen, unter ihnen auch ein Afro-Amerikaner. Die Mehrheit stellten allerdings katholische Iren wie Peter Lalor. Sein Stellvertreter, Captain Ross, war Kanadier schottischer Abstammung. Zu den ca. 200 Mann, die am eigentlichen Kampf am 3.12.1854 beteiligt waren, zählten auch drei Deutsche, mit wertvollen militärischen Erfahrungen aus ihrer Zeit im preußischen Militärdienst. Alle drei wurden bei der Niederschlagung des Aufstandes getötet. Bate, 1978, S. 135.

[4]Die Fakten , wie sie hier wiedergegeben sind, sind, dank der jahrelangen Arbeit von Prof. Weston Bate und anderen in Ballarat, sehr gut dokumentiert und im Wesentlichen unumstritten. Die Nuancen in der akademischen Debatte liegen vor allem in der Hervorhebung des einen oder anderen Ereignisses in der Interpretation des Gesamtbildes und der Auswertung für die Frage nach dem demokratischen Gehalt, nicht in der chronologischen Abfolge. Eine praktische Ausnahme bildet allerdings die genaue Lage der Stockade, die mit einer Abweichung von einigen Dutzend Metern immer noch keinen letzten Konsens finden konnte, was vor allem bei der Errichtung des neuen Eureka Zentrums für Verwerfungen gesorgt hat. Vgl. Beggs-Sunter, 2002, S. 153.

[5]Es ergab sich, dass als erster Beschuldigter ausgerechnet der Afro-Amerikaner Jones an die Reihe kam, was bis heute der damaligen Staatsmacht gelegentlich auch noch den Vorwurf einträgt, rassistisch gewesen zu sein.

Diese Anmerkung und die Erklärung für die Freisprüche habe ich den Ausführungen von Prof. der Ehrenwerte John H Phillips AC QC, Richter am Obersten Gerichtshof von Victoria, bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Was Justice Really Done?“ am 26.11.2004 in Ballarat entnommen.

[6]Wobei der volle Titel eine ironische Anspielung auf den Hauptgegner der Goldsucher ist, den ehemaligen Admiral Hotham.

[7]„To Raffaello and probably to the bulk of Australians Eureka stood for something less ideologically defined – a practical assertion of fair-goism.“ aus Beggs-Sunter, 2002, S. 8. Neue Ausgaben von Carbonis Werk erschienen 1855, 1870, 1942, 1963, 1993 und 2004.

Heute ist der Ausdruck „fair go“ zu einem der bekanntesten Phrasen geworden. Er bezeichnet das Verlangen des Durchschnittsaustraliers, eine ebenbürtige Chance zu bekommen, sich selbst und seine Lage zu verbessern. Wird heute aber vor allem im materiellen Sinne gebraucht.

[8]Es gibt hierfür mehrere Erklärungen: Einige Autoren vermuten, dass Eureka für die offizielle Seite, inklusive Peter Lalor, der sich in seinen 30 Jahren im Parlament immer mehr von seinen radikalen Wurzeln abwandte, einfach zu peinlich war, um groß in Szene gesetzt zu werden. Andere weisen darauf hin, dass Eureka vor allem als orale Geschichte transportiert wurde, an den Lagerfeuern und Stammtischen der Kolonie. Dazu hat sicherlich beigetragen, dass viele der Protagonisten noch am Leben waren und im Lichte der Öffentlichkeit standen. Solange man sie bei Gelegenheit befragen konnte, brauchte es keine weitere formale Kodifizierung. Vgl. auch Beggs-Sunter (2002), S. 8-12.

[9]Aus einem unveröffentlichten Vortrag von Keith McKenry, „The Ballads of Eureka“, am 26.12.2004 in Ballarat.

[10]Vgl. auch Lawson, 1921, 145-49. „Pioneers“. Ein Auszug aus lautet z.B.: „And we'll sleep sound in Australian ground / 'Neath the blue-cross flag star lighted, / when it freely waves o'er the grass-grown graves / Of the pioneers unites? / When it floats and veers / O'er the pioneers / Of „Australian States United“!“

[11]An gleicher Stelle: „The Ballarat monument still remains to be erected, but alas! [sic.] the race of men in Ballarat of today are not the stalwart heroes of fifty-four. The huckster about a Stock Exchange, and their most magnificent effort at appreciation of merit is a statue to a Guelphic and foreign Sovereign. Let it pass. The men who fought for liberty are not of the brand to be pleased with flattery. Their deeds live on in default of tablets. […] 'Tis a memory of the day that Australia set her teeth in the face of the British Lion, 3 December 1854 – the Day We Ought to Celebrate.“

[12]Original in: Twain, Mark. Following the Equato: A Journey Around the World. Hartford, Conn.: American Publishing (1898). S. 233.

[13]Originalzitat in: Neue Oder-Zeitung, Breslau, 1855 (keine weiteren Angaben).

[14] Whitlam, Gough, Q.C., PM. Speech at the Unveiling of the Southern Cross Flagg on the 12th of December 1973 in the Ballarat Fine Art Galler: „Eureka will acquire an aura of excitement and romance and will stir the imagination of the Australian people.

[15]Unter anderem wurde die Fahne Jahrzehnte lang auf einem Speicher eines Kirchenküsters gelagert, der gerne jedem Interessenten ein kleines Stückchen als Souvenir abriss. Unveröffentlichter Vortrag von Anne Beggs-Sunter am 1.12.2004 an der Universität von Melbourne.

[16]Helen Palmer hat auch einen Roman über den Eurekastoff verfasst mit dem Titel Beneath the Southern Cross – Stories of Eureka.

[17]Deren Publikation sich allerdings aus technischen Gründen wohl noch bis später im Jahr 2005 verschieben wird. Siehe Anhang II. 1.10: Interview Allison '8. Bisher im sporadischen Gebrauch ist eine ca. 10 Jahre alte Publikation der Kunstgalerie von Ballarat, die unter anderem auch die Flagge beherbergt. Rich, Margaret [Hrsg.]. Eureka. Ballarat, Vic., Australia: Ballarat Fine Art Gallery (1994).

[18]Flag of the Southern Cross (1887), Song of the Republic (1887), Eureka – A Fragment (1890), The Fight at the Eureka Stockade (1890), Blood on the Wattle (1891), An Old Mate of Your Father's (1996), Australia's Forgotten Flag (1911).

[19]The two most fruitful subjects for the myth-maker were the episode of Eureka and the figure of the bushranger.“ Palmer, 1956, S. 51.

[20]McIntyre, 1999, S. 90: „the Eureka rebellion became a formative event in the national mythology.“

[21]Nach eigenen Angaben des Museumsleiters in einem nicht veröffentlichten Vortrag am 1.12.2004 an der Universität Melbourne.

[22]Eine nicht unumstrittene Institution, deren Errichtung durch jahrelangen Streit um die nationale Bedeutung der Ereignisse verzögert wurde. Vgl. Beggs-Sunter, 2002, „The Public Interpretation“, S. 181-220.

[23]Eureka Flag Furore“. Herald Sun, 15. November 2004. Allein am 3.12. nahmen die vier großen Artikel in The Age zwei Doppelseiten in Anspruch, plus 12 Leserbriefe und ein Essay des Premiers von Victoria zum Thema Eureka: „The Eureka Project is Unfinished“; „Cradle of Democracy or a small uprising? Historians assess the meaning“; „Rebels, Redcoats and a Bloody Dawn“. The Age, 3. Dezember 2004. Steve Bracks. „The Brief Battle that Hastened our Democracy“. The Age, 3. Dezember 2004. Interessant ist auch zu sehen, wie weit Eureka auch in Nischen und Partikularinteressengruppen behandelt wird. Überraschenderweise gab es in der größten Gewerkschaftszeitung, dem Construction Worker, nur eine kleinen und keine weiteren Sonderartikel zu Eureka, obwohl die CFMEU in besonderem Maße zu den Feierlichkeiten beitrug. „Spirit of Eureka – We Have it!“. Construction Worker. Vol 10,3 2004. Die katholische Kirchenzeitung Australiens hingegen widmete die Titel- und eine Doppelseite an prominenter Stelle der Lebens- und Kampfgeschichte des irischen Katholiken Peter Lalor. „Our Neglected National Hero“. Kairos – Catholic Journal. Vol 15,22 Nov./Dez. 2004

2 thoughts on “Australische Nationalnarrative: Die Eureka Stockade

  1. Zahlen und Daten falsch
    sorry, aber schon nach dem lesen von dem ersten satz im „Historischen Kern“, dass im jahr 1853 in australien gold gefunden wurde, habe ich die lust verloren, weiter zu lesen. Ist doch ein total falsches datum. Wenn schon dann 18.5.1851!!! da wurde es offiziell zugegeben, dass Gold vorhanden war.
    Wie bist Du auf die Zahl gekommen, dass sich 200 „Bergleute“ verschanzt hatten? Meiner Information zugrunde waren es mindestens 1000 digger, die da rebellierten!
    Auch zu den Zahlen der Todesopfer habe ich andere Zahlen!
    Sorry, netter Versuch, aber was ist da mit den Zahlen passiert?
    Gruß, Kat

    Meine Grundlage ist Inglis, Kenneth: The Australian Colonists, S. 191-211, sollte das alles da so falsch sein?

    1. Zahlen und Daten sind oft Interpretationen
      In der Geschichtsschreibung ist es oft schwierig Zahlen und Daten genau nachzuvollziehen. Ich finde es nicht verwunderlich, dass du andere Daten gefunden hast. Das gibt es oft. Anstatt von falsch oder richtig zu reden, wuerde ich das an deiner Stelle ein bisschen abschwaechen. Die Zahlen koennen in beiden Quellen eine Interpretation sein. Du kannst das auch heutzutage sehen. Schau dir z.B. die Angaben zur Teilnehmerzahl von Demonstrationen an – da geben Polizei und Organisation in der Regel auch stark auseinanderliegende Zahlen an. Auch zu Jahreszahlen finden sich in verschiedenen Buechern oft verschiedene Angaben. Haette Flo dein Buch zur Verfuegung gehabt, haette er sicher gesagt ¨verschiedenen Quellen geben die und jenes an¨.

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