Das Zentralgefängnis von Kabul

Arnold holt mich am Donnerstag mit zwei Autos von Hezarak ab. Wie immer hat er wenig Zeit, holt mich schon vormittags ab und will auch kaum warten. Ich schließe also meinen Workshop, schicke alle Leute nach Hause, suche in aller Hektik meine Sachen zusammen und los geht’s. Auf dem Rückweg fährt Arnold noch zu dem alten Zentralgefängnis von Afghanistan. Er will sehen, ob da wirklich gebaut wird, wie ihm gesagt wurde.

Arnold holt mich am Donnerstag mit zwei Autos von Hezarak ab. Wie immer hat er wenig Zeit, holt mich schon vormittags ab und will auch kaum warten. Ich schließe also meinen Workshop, schicke alle Leute nach Hause, suche in aller Hektik meine Sachen zusammen und los geht’s. Auf dem Rückweg fährt Arnold noch zu dem alten Zentralgefängnis von Afghanistan. Er will sehen, ob da wirklich gebaut wird, wie ihm gesagt wurde.

Zuvor hatte er den Auftrag erhalten, für das im Moment benutzte Gefängnis in Kabul einen Sanierungsplan zu erstellen. Arnold wollte sich nun informieren, ob dieser Knast nach der Renovierung auch als Knast benutzt wird oder nicht. Ein paar Wochen vorher hatte das deutsche Technische Hilfswerk (THW) eine soziale Einrichtung (eine Schule, einen Kindergarten?) wieder aufgebaut und danach hat es einfach die Armee beschlagnahmt.

Er hatte also einige Telefonate hinter sich, um herauszubekommen, ob das alte Zentralgefängnis (außerhalb Kabuls) wieder hergerichtet wird. Außerdem hatte er sich den jetzt benutzten Knast angesehen: 500 männliche Gefangene, 18 Frauen, für alle zusammen 8 Toiletten und keine einzige Waschgelegenheit, weder für sich selbst noch für ihre Kleidung. Insgesamt 1000 qm „Wohn”fläche. Arnold meinte zu mir: In Deutschland würde das schon gegen die Tierschutzbestimmungen verstoßen. Klar, dass etwas daran gebaut werden muss, wenn es weiterhin Knast bleiben soll. Soll es aber gar nicht. Das alte Zentralgefängnis wird tatsächlich gerade renoviert, demnächst soll es bezogen werden. Also wartete doch wieder die Armee auf das dann leer werdende jetzige Gefängnis.

Wir kommen ohne Ankündigung zu dieser riesigen Festung. Ich frage einen Soldaten, ob ich Bilder machen darf. Ich darf. Und wir werden problemlos hineingelassen. Die Bauwerke sind mit einer doppelten, 4-5 m hohen Mauer umgeben, etwa 1 km im Quadrat, zwischen den Mauern sind etwa 20 Meter. Auf dem ersten Torbau sind Flakgeschütze. Wir werden zu einem zerschossenen Bauwerk geführt, dem ältesten Teil, ein Sechseck wohl, aus sechs Dreiecken mit jeweils eigenem Innenhof. So ziemlich überall wo wir laufen, laufen wir vermutlich über Massengräber. In der Mujaheddin- und der Taliban- Zeit wurde an diesem Gefängnis gar nichts mehr renoviert, es war nur noch Erschießungs- und wahrscheinlich Folterstätte. Wer dorthin gebracht wurde, kam nicht mehr zurück.

Durch schaurige Betongänge werden wir in ein helles, lichtes Arbeitszimmer geführt, das ich auch fotografieren darf. Danach ist es mir leider verboten, weiter zu fotografieren. Uns sitzt der Chef des Gefängnisses gegenüber, der uns persönlich dann den gesamten Komplex zeigt. Im alten Komplex zeigt er uns einen Gang mit Einzelzellen, je etwa 2 x 2 Meter groß, zum Gang hin nur mit Eisenstäben. In einer Zelle sehe ich eine farbenreiche Wandmalerei.

Eine Fabrikhalle gibt es, wo früher wohl alles Mögliche produziert wurde, jetzt aber nur noch Beton übrig ist. Dann zeigt er uns einen etwa 20 mal 60 Meter großen Raum, in der Mitte zwei riesige Käfige, rings herum ein Gang für die Wärter: Großgruppenzellen. Der Innenhof erinnert mich an deutsche Knäste, es gibt ein Volleyballnetz und ein paar andere Turngeräte. Hier würde auch der Besuch der Angehörigen stattfinden. Graue Betonwände, fünf Stockwerke hoch, voller vergitterter Fensterlöcher.

Wie viel denn in diesem Knast untergebracht werden können? fragt Arnold. Was der kleinste Staat in Europa wäre, „Finnland?“ wird er zurückgefragt. Nein, Vatikanstadt, Liechtenstein, Monaco. Gut, also ganz Monaco passt hier rein, 40.000 meint der Gefängnisleiter.

Dann gehen wir zu dem neueren Teil. Es sind längliche Blöcke. Als die Russen hier gewesen sind, wäre der alte Komplex genutzt worden. Jetzt, wo wir hier seien, würden die neueren Blöcke benutzt, meint er. Stolz zeigt er uns Zentralheizung, den riesigen Schaltkasten der Elektrik (tatsächlich hoher Standard, besser als sonst wo in Kabul), Duschen, Toiletten. Lange Zellengänge, alle mit Gitter am Flurende noch mal abgetrennt, etwa 20 qm große Zellen für 8 bis 16 Gefangene, es gibt eine Bibliothek und einen Bett-Raum. Ich habe sehr bedauert, dass ich das nicht fotografieren durfte.

Ob uns der Knast gefallen hätte? Na ja, sagt Arnold, wem gefällt ein Gefängnis schon? Als der Direktor etwas beleidigt guckte, beeilte er sich hinzu zu fügen: Aber er sei beeindruckt von dem Standard.

Wir werden den Weg zurück mit einem original deutschen Polizeiauto gebracht. Das sei schließlich dafür da, den Menschen zu helfen, erklärt der Direktor. Und wenn wir etwa helfen wollten, dann wäre Hilfe für den Ausbau der Produktionsstätten toll. Wir verabschieden uns freundlich.

23. Januar