Fahrradkauf in Kabul: Der zweiteVersuch

Morgens schlafe ich meine Migräne aus. Karla macht einen Krankenbesuch und erzählt mir von ihrer Fahrt raus zur Schomali- Ebene nördlich von Kabul. Ganz und gar grün sei es da, alles voller Felder, leider auch viele Zerstörungen, insbesondere an der kunstvollen Bewässerung und noch ganz viele Minen. Sie hat Kinder auf einem Panzer spielen gesehen, der direkt neben ihrem Haus stand. Sie konnten nur direkt vom Weg zum Haus auf den Panzer springen, den ansonsten war alles vermint: Um den Panzer, ums Haus und um den Weg zum Haus. Sie war auch bei dem Chef vom 2. Polizeirevier.

Morgens schlafe ich meine Migräne aus. Karla macht einen Krankenbesuch und erzählt mir von ihrer Fahrt raus zur Schomali- Ebene nördlich von Kabul. Ganz und gar grün sei es da, alles voller Felder, leider auch viele Zerstörungen, insbesondere an der kunstvollen Bewässerung und noch ganz viele Minen. Sie hat Kinder auf einem Panzer spielen gesehen, der direkt neben ihrem Haus stand. Sie konnten nur direkt vom Weg zum Haus auf den Panzer springen, den ansonsten war alles vermint: Um den Panzer, ums Haus und um den Weg zum Haus. Sie war auch bei dem Chef vom 2. Polizeirevier. Der hat unter anderem von seinen beiden einzigen Polizistinnen erzählt. Die eine sei auf dem einen Auge blind und die andere sei hässlich wie ein Rabe. Eine der beiden war Gefängniswärterin unter den Taliban. Karla dagegen lud er zum Essen ein. Erst wollte sie annehmen, aber ihr Fahrer riet ihr entsetzt ab: Wenn ihr dort etwas passieren würde, könne ihr niemand helfen. Nachmittags war die Migräne weg und Klaus begleitete mich dankenswerterweise zu meinem zweiten Versuch, ein Fahrrad zu kaufen. Unser Taxifahrer hatte etwas Mühe zu verstehen, wohin ich denn wollte. An einem Verkaufsstand war ein junger Mann, der ein Englisch-Buch unter dem Arm hatte (wie so viele: Ich habe sogar einmal einen Verkehrspolizisten gesehen, der lang ausgestreckt auf seinem Stuhl auf einer Kreuzung saß und im ‚Learning English’ studierte). Den sprach der Beifahrer des Taxis an und der junge Mann stieg kurzerhand zu uns ins Taxi. In der Innenstadt angekommen, versuchte er uns noch zu Fuß den Weg zu zeigen, den ich allerdings besser wusste. Im Fahrradladen stellte sich heraus, dass der junge Verkäufer mein (!) Rad morgens schon verkauft hatte. Er habe gedacht, ich wolle vormittags kommen. Sie zeigten mir ein anderes Rad, dass ‚in 10 Minuten’ fertig sei. Erstens war es offensichtlich, dass das so schnell nicht gehen würde und zweitens war ich stinkesauer, weil ich mir sicher war, dass der Verkäufer genau wusste, dass ich nachmittags kommen würde. Klaus sagte plötzlich: ‚Nur ruhig Blut, Burkhard!’ Ich hatte gar nicht gemerkt, wie scharf ich geworden war. Ein zweiter Verkäufer, den ich sympathischer fand als den jungen, kam noch hinzu. Der versprach mir dann, mir ein Fahrrad fertig zu machen für den nächsten Tag und es einen Monat lang aufzubewahren. Ich konnte ihm nämlich nicht versprechen, wirklich am nächsten Tag wieder zu kommen, weil ich es ohne Rafiulah, dem Wächter, nicht mehr versuchen wollte. Auf einen Bestellzettel habe ich meinen Namen und meine Adresse aufgeschrieben (auf Englisch). Der ungebetene Übersetzer wollte uns zum Schluss unbedingt ein Taxi besorgen, was mir aber zu lästig war. Ich habe ihm für seine Dienste Geld gegeben, damit er geht und wir alleine ein Taxi suchen können. Ob er Geld wolle, hatte ich ihn schon vorher zwischendrin gefragt und auf Englisch antwortete er mit einem knappen ‚Ja’. Als ich es ihm dann auf Dari zum Schluss anbot, erwiderte er zuerst mit afghanischer Höflichkeit: Ich sei doch sein Freund, und er wolle doch für so etwas kein Geld und nahm es erst nach einigem Hin und her. Allerdings war die Fahrt ins Stadtzentrum sowieso der halbe Weg zu seiner Wohnung. Ziemlich frustriert bin ich dann nach Hause. Klaus meinte: “Frag doch, ob Rafiulah alleine fährt. Immerhin willst du ihm in einem halben Jahr das Fahrrad schenken, dann kann er auch etwas für Dich tun.” In Taimani angekommen fragte mich der (Englisch sprechende) Mohammad, ob ich denn mein Fahrrad hätte. “Nein”, meinte ich, “das soll der Rafiulah jetzt holen, schließlich bekommt er es nachher!” Das tat mir später leid. Rafiulah hatte mir total freundlich angeboten, mir zu helfen und außerdem habe ich herausbekommen, dass 3200 Afghani richtig wenig für ein ‚gutes’ Rad sind. Ich bin später noch mal zu Mohammad und habe mich entschuldigt: “I dont want to be someone, who believes, that he can buy everything.” Es ist schon ein sehr komisches Gefühl, plötzlich zu den Reichen zu gehören. Ein Wächter hier verdient zur Zeit 100,- € im Monat (später wurde es plötzlich auf 150 € erhöht). Im Safe des Entwicklungsdienst habe ich jetzt noch 1300 € liegen, in meiner Geldbox im Zimmer etwa 350 €, in meinem Portemonnaie etwa 50 €. Ein Bettler bekommt normalerweise 1000 alte Afghani, also 2 Cent. 10 neue Afghani, also 2o Cent, sind schon richtig viel für ihn. Wenn ich aber bedenke, dass die monatlichen Einnahmen von Ismael Khan aus Herat bei mindestens 2 Millionen Dollar, eher bei 10 Millionen Dollar liegen, dann relativiert sich mein Reichtum wieder etwas. Sonntag, 24. November