Politische Parteien und die Entwicklung nach der Unabhängigkeit Ruandas

Am 1. Juli 1962 wurde Ruanda von Belgien in die Unabhängigkeit entlassen. Durch die politischen Geschehnisse während der letzten Jahre der belgischen Kolonialherrschaft waren klare ethnische Grenzziehungen zwischen den Hutu und Tutsi gezogen worden. Immer mehr politische Organisationen gründeten sich, bei denen die Mitglieder entweder Hutu oder Tutsi waren; in keiner Organisation hat man Mitglieder beider Ethnien antreffen können. So war in  jedem Bündnis die neu „entstandene“ Ethnizität das einzige Merkmal, welches die Mitglieder zusammenhielt. Die politischen Interessen gründeten sich also auf ethnischem Hintergrund.

Am 1. Juli 1962 wurde Ruanda von Belgien in die Unabhängigkeit entlassen. Durch die politischen Geschehnisse während der letzten Jahre der belgischen Kolonialherrschaft waren klare ethnische Grenzziehungen zwischen den Hutu und Tutsi gezogen worden. Immer mehr politische Organisationen gründeten sich, bei denen die Mitglieder entweder Hutu oder Tutsi waren; in keiner Organisation hat man Mitglieder beider Ethnien antreffen können. So war in  jedem Bündnis die neu „entstandene“ Ethnizität das einzige Merkmal, welches die Mitglieder zusammenhielt. Die politischen Interessen gründeten sich also auf ethnischem Hintergrund.

Im Folgenden liste ich die wichtigsten Parteien auf, die Anfang der 60er Jahre gegründet wurden:

Seitens der Tutsi wurde 1962 die „UNAR“ (Union Nationale Rwandaise) gegründet. Sie verstand sich als radikale Partei, die sich für die Monarchie aussprach. Zudem distanzierte sie sich zum einen von der Kirche und zum anderen von der belgischen Kolonialmacht.

Eine weitere Partei der Tutsi-Elite war die sog. „RADER“ (Rassemblement Démocratique Rwandais). Vor allem Studenten traten ihr bei.

Die größte Partei der Hutu war die „PARMEHUTU“ (Parti du Mouvement de l'Émancipation des Bahutu), die nach der Unabhängigkeit auch das Land regierte. Anfangs setzen sie sich für die Verlängerung der belgischen Kolonialzeit ein, da sie befürchteten die Macht mit Besatzungsende an die Tutsi abgeben zu müssen. Antikolonialistische Züge nahmen sie erst später ein. Die Hutu- Partei „APROSOMA“ (Association pour la Promotion de la Masse) verfolgte ähnliche Ziele wie die PARMEHUTU (vgl. Harding, 1998: 52 ff).

Die Konflikte zwischen den Hutu und den Tutsi wurden nun auf öffentlicher politischer Ebene ausgetragen, Gewalt wurde mit Gegengewalt beantwortet und politische Aufstände gehörten zur Tagesordnung. Obwohl phänotypisch zwischen Hutu und Tutsi keine eindeutige Unterscheidung erkennbar war (vgl. Kap. 5), versuchten die Politiker ihre Ziele durch ethnische und vor allem rassische Abgrenzungen zum jeweils anderen zu erreichen. Missgunst der anderen Rasse wurde schlicht heraufbeschworen um Anhänger zu finden: „Aus machtpolitischem Kalkül wurde ein regelrechter Rassenhaß zwischen den Ethnien kultiviert“ (Harding, 1998: 57). Die gemeinsame Geschichte und Sprache der Hutu und der Tutsi schien von nun an in Vergessenheit geraten zu sein. Die konstruierte Andersartigkeit wurde schlichtweg benutzt um Macht auszuüben.

So erkannten die Führer der Parteien bei Wahlansprachen, dass sie ihre eigenen Gefolgsleute durch Berufung auf eine gemeinsame ethnische Solidarität gewinnen konnten. Damit erreichten sie besonders die Masse der unzufriedenen Hutu- Bauern, die erst durch die Wahlreden der Hutu-Elite ihre eigene Situation als ungerecht wahrnahmen. Ganz bewusst wurde der Hutu-Bevölkerung ein „Wir-Gefühl“ eingeprägt, das sie von „den Anderen“, den „unfairen Tyrannen“ abhob.

Doch die Tutsi-Elite, die sich fast ausschließlich im Exil aufhielt, schloss sich zu einer Interessengruppe zusammen und gab sich selbst den Namen „Inyenzi“ (= Kakerlaken), den sie bei Auseinandersetzungen Jahre zuvor von den rassistischen Hutu verliehen bekam. Bewaffnet drang die Gruppe Anfang der 60er Jahre in Ruanda ein und versuchte brutal die Machtverhältnisse „umzukrempeln“ – erfolglos: Die Hutu- Regierung war zu diesem Zeitpunkt schon zu gut organisiert und ließ nach der Niederschlagung der einfallenden Tutsi alle Oppositionsführer kaltblütig ermorden (vgl. Semujanga, 2003: Kap. 2: 16 f). Doch der Hass seitens der Tutsi auf die Regierung nahm kein Ende, sondern wurde vielmehr geschürt. Die Ermordung ihrer Führer sahen die Tutsi schließlich als Grund für eine noch engere Zusammenarbeit mit ihren eigenen Gefolgsleuten. Schon bald wollten sie „ihr“ Land zurückerobert wissen. Doch auch bis 1963 änderte sich nichts Wesentliches in der Politik: In diesem Jahr kamen schließlich die letzten im Land lebenden Tutsipolitiker (oft auch mysteriös) ums Leben. Das Land wurde zu einem Einparteistaat, an der Spitze stand der autoritäre Hutupräsident Kayibanda. Ruanda war innerlich schon lange zerbrochen, was die gespannte Lage stets aufrechterhielt.

[quote] „Durch die Politisierung der Ethnizität definierte sich die neue ruandische Republik fortan nach ethnischen Kriterien, die auch im Volk verwurzelt waren – eine Situation, die letztlich zum Völkermord 1994 beitrug.“ (Harding, 1998: 70). [/quote]

Erst 1973 schien sich die politische Situation in Ruanda drastisch zu ändern. Am 5. Juli wurde der Hutupräsident durch den Tutsianführer Juvénal Habyarimane gestürzt. Dieser setzte sich selbst an die Macht und so schnell ihm gelang eine Militärregierung aufzubauen, so schnell verbot er auch die bis zu diesem Zeitpunkt amtierende Partei PARMEHUTU. Mit menschen-unwürdigen Methoden richtete er einen Geheimdienst ein, der jedes gegnerische Aufkeimen ersticken sollte (vgl. Harding, 1998: 71 f). Trotz allem verkündete er zumindest von nun an sich einzusetzen für eine ausgleichende Politik, bei der keine Ethnie unterdrückt oder benachteiligt werden sollte. So schaffte es der Geheimdienst, manche Ausschreitungen zu verhindern, aber trotzdem wurden die Tutsi – wenn auch nicht mehr öffentlich – verfolgt. Die Hutu weigerten sich vehement, ihre politischen Ämter abzugeben, und so kam es, dass nur 2 von 70 Parlamentariern Tutsi waren (vgl. Harding, 1998: 126). Zwar waren die Hutu zahlenmäßig in der absoluten Minderheit (nur ca. 9 % der Bevölkerungszahl, jedoch hätte man, gerade bei der Machtübernahme des Tutsipräsidenten Juvénal Habyarimane von einer stärken Beteiligung der Tutsi in der Politik ausgehen können).

Die Reaktion der Tutsi war nachvollziehbar: Sie arbeiteten vorzugsweise im privaten Sektor, um von Diskriminierungen verschont zu bleiben. Das hatte die Folge, dass sie Kontakte zu ausländischen Unternehmern knüpfen konnten und ihnen neben den offiziellen Geschäften auch Hilfeleistungen ausgehend von den Europäern angeboten wurden. Insgesamt verbesserte sich die Situation dieser Tutsi-Unternehmer und man war wieder im Stande ein Gegengewicht zur Regierung aufzubauen.

Die Regierungszeit von Habyarimane war gezeichnet von Korruption, kleineren Aufständen und daraus resultierenden wirtschaftlichen Schwankungen. Doch muss man betonen, dass unter seiner Herrschaft auch immer wieder Demokratisierungsversuche unternommen wurden. 1991 wollte er sogar die ethnische Etikettierung auf den Personalausweisen abschaffen, was ihm aber nicht gelungen ist und später für Tausende zum Verhängnis wurde (vgl. Harding, 1998: 82 ff).

Anfang der 90er Jahre wurde eine Verfassungsreform eingeleitet. Sie beinhaltete, dass von nun an wieder Oppositionsparteien zugelassen wurden. Der Einparteistaat war Geschichte.

Mit der Zulassung auf Mitspracherecht der Opposition wurden auch die Medien geöffnet. Man könnte meinen, dies war ein weiterer Schritt in Richtung Demokratie; stattdessen aber war es ein Schritt zurück in die öffentliche Bloßstellung beider Ethnien (vgl. Hoering, 1997: 39). Parteivorsitzende „benutzen“ die Ethnien um ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit den Menschen zu erhalten. Ziel war nur die Sicherung ihrer Macht, und nicht etwa ein allgemein friedliches Zusammenleben und Wohl der gesamten Bevölkerung (vgl. Diamond, 2005: 326).

 

 

Quellen

Baratta, Mario von (2001): Der Fischer Weltalmanach 2002. Zahlen. Daten.  Fakten. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Berkeley, Bill (2001): The Graves are not yet Full. New York: Basic Books.

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (1999): Afrika 1 Zeitschrift 264. Bonn: Schwann Bagel GmbH & Co KG.

Diamond, Jared (2005): Collapse. London: penguin group.

Die Bibel – Die heilige Schrift. Altes und neues Testament. Nach einer Übersetzung von Luther.

Gleichmann, Peter; Kühne, Thomas (Hrsg.) (2004): Massenhaftes Töten. Kriege und Genozide im 20. Jahrhundert. Essen: Klartext Verlag.

Harding, Leonhard (1998): Ruanda – der Weg zum Völkermord. Vorgeschichte – Verlauf –Deutung. Hamburg: Lit. Verlag.

Hoering, Uwe (1997): Zum Beispiel Hutu & Tutsi. Der Völkermord hätte verhindert werden können, befand ein UN-Bericht. Göttingen: Süd-Nord-Lamuv.

Kimenyi, Alexandre (1978): A Relational Grammar of Kinyarwanda. Volume 91. London: University of California Press.

Kimenyi, Alexandre (2002): A Tonal Grammar of Konyarwanda – an Autosegmental and  Metrical Analysis. Volume 9. New York: The Edwin Mellen Press.

Mamdani, Mahmood (2001): When Victims Become Killers. Colonialism, Nativism, and the Genocide in Rwanda. Princeton, New York: Princeton University Press.

Melvern, Linda (2000): A People Betrayed. The Role of the West in Rwanda's Genocide. London, New York: Zed Books.

Newbury, Catharine (1988): The Cohesion of Oppression. Clientship and Ethnicity in Rwanda 1860– 1960. New York: Columbia University Press.

Scholl-Latour, Peter (2001): Afrikanische Totenklage. München: Bertelsmann Verlag.

Semujanga, Josias (2003): The Origins of Rwandan Genocide. New York: Humanity Books.

Wikipedia, Ethnie: 05.10.2006, 12:35 Uhr., http://de.wikipedia.org/wiki/Ethnie

Wikipedia, Rasse: 05.10.2006, 12:40 Uhr. http://de.wikipedia.org/wiki/Rasse

Wikipedia, Ruanda: 05.10.2006, 15:40 Uhr.   http://de.wikipedia.org/wiki/Ruanda