Hetzmedien als Weichensteller für den Völkermord in Ruanda

Hetzmedien bestimmten in den 90er Jahren das politische Klima in ganz Ruanda. Zuerst unterschätze man ihre Wirksamkeit und den Einfluss, den sie auf die Politik ausübten. Doch heute ist klar, dass sie die Konfliktsituationen und Auseinandersetzungen beider „Ethnien“ geradezu herbeischworen und so einen bedeutsamen Weichensteller für den Völkermord darstellten.

Hetzmedien bestimmten in den 90er Jahren das politische Klima in ganz Ruanda. Zuerst unterschätze man ihre Wirksamkeit und den Einfluss, den sie auf die Politik ausübten. Doch heute ist klar, dass sie die Konfliktsituationen und Auseinandersetzungen beider „Ethnien“ geradezu herbeischworen und so einen bedeutsamen Weichensteller für den Völkermord darstellten.

1990 wurde die Wochenzeitung „Kangura“ (= weck' ihn auf) gegründet, welche nur so von rassistischen Parolen strotzte. Hutu-Führer finanzierten und publizierten sie. Heute noch ist sie bekannt für die damalige Veröffentlichung der „10 Gebote für Hutu“. Die Gebote waren nicht weniger rassistisch als dieses Beispiel es zeigt: „Jeder Hutu ist ein Verräter, der mit einem Tutsi Geschäfte macht“ (vgl. Hoering, 1997: 39 f). Hetze betrieb die Zeitung aber auch mit Warnrufen und klarer Besserstellung der Hutu:

[quote] „Jeder Hutu muß wissen, daß die Tutsi-Frau überall für ihre Tutsi- Ethnie arbeitet. Daher ist jeder Hutu ein Verräter, der eine Tutsi heiratet, der eine Tutsi zur Mätresse hat, der eine Tutsi als Sekretärin hat oder sie fördert.“ (Hoering, 1997: 39). [/quote]

Objektive Medien schien es zu dieser Zeit im ganzen Land nicht mehr zu geben, jeder Artikel wurde dazu genutzt, eine menschliche Abwertung des politischen Gegners zu verbreiten. Immer war die „Ethnie“ im Vordergrund der Anschuldigungen. Jede Zeitung rief den Bürger dazu auf, wachsam auf jede Falle des Feindes aus der anderen Ethnie vorbereitet zu sein. So kam es sogar soweit, dass die Hutu von ihren eigenen Landsleuten als Verräter und Feinde dargestellt wurden, wenn sie eine Tutsi zur Frau hatten, oder selbst nur mit ihr befreundet waren.

Doch allgemein fand das Radio viel mehr Zuhörer, als die Zeitungen Leser. Dies lag nicht zuletzt an der hohen Analphabetenrate, die noch heute bei den Männern bei 29 % und bei den Frauen bei 43 % liegt (vgl. Baratta, 2001: 651).

Der bekannteste Sender wurde von Nahimana gegründet und war wohl der berüchtigtste Kriegssender der Welt. Dieser Sender, RTLMC (Radio- Television Libre des Milles Collines)  stand den extremen Hutu-Machthabern nahe und verbreitete eine große und gut strukturierte Anti-Tutsi-Kampagne. Neben Parolen, die Nahimana selbst verkündete, ließ der Sender auch Hutu-Parteiführer sprechen, wie bspw. in dieser Ansprache vom 22.11.1992:

[quote] „Wir müssen die Verantwortung in unsere Hände nehmen und müssen diese Unholde ausradieren. (…) Sie gehören nach Äthiopien und wir werden für sie eine Abkürzung dorthin finden, indem wir sie in den Nyabarongofluß werfen (der nach Norden fließt). Ich muß auf diesen Punkt bestehen. Wir müssen handeln. Radiert sie alle aus!“ (Harding, 1998: 135 f). [/quote]

Wie dieses Beispiel mehr als deutlich zeigt, wurden Parolen gegen die Tutsi in die Ohren der Landbevölkerung geschrieen. Zu unterstreichen ist hier, dass die nicht wissenschaftlich erwiesene Hamitenthese zu propagandistischen Zwecken ausgegraben und belebt wurde, als hätte man niemals ihre Echtheit bezweifelt (vgl. Hamitenthese, Kap. 3.2). Die Hutu-Masse bezeichnete die jahrelange Herrschaft der Tutsi als Knechterei und schien zu vergessen, dass das ganze Land vor der Kolonialherrschaft friedlich miteinander lebte und das Thema „Ethnizität“ erst seit kurzem an Bedeutung gewann. Neben dem eben erwähnten Sender spielte auch die Radiostation „Mille Collines“ eine bemerkenswerte Rolle. So verbreitete diese das von Extremisten erschaffene Modell eines reinen Hutu- Staates. Die Station wollte die gesamte Hutu-Bevölkerung mobilisieren, für dieses Vorhaben, für diesen Plan zusammen zu kämpfen (vgl. Harding, 1998: 137).

Was alle Radiosender gleich auszeichnet, war die einfache, schnörkellose, deutliche und ansprechende Sprache. Straßenslang wurde gebraucht, um der Sprache der Bevölkerung möglichst nah zu kommen, um sich im gesamten Land verständlich zu machen und ihnen „aus der Seele“ zu sprechen. Hier muss vermerkt werden, dass sich die Parolen der Hutu hauptsächlich an die Landbevölkerung richtete diese hatte schwer Zugang zu Bildungseinrichtungen. Je einfacher und drastischer die Sprache, desto mehr Zuhörer, versprach man sich. Menschenrechte und -werte wurden bei den öffentlichen Verkündigungen nicht geachtet. Alles an den Tutsi wurde lächerlich gemacht. So ging man nicht nur gegen die Politiker vor, sondern spöttelte gegen alle Tutsi, gegen die „ethnische“ Minderheit, gegen die Hamiten. Laut Radioansagen wurde der Tutsi als alles Böse stigmatisiert und dem Hutu alles Gute verdankt. Ähnliche dichotome Äußerungen sind mir in diesem Maße nur aus dem Nationalsozialismus bekannt.

 

Quellen

Baratta, Mario von (2001): Der Fischer Weltalmanach 2002. Zahlen. Daten.  Fakten. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag.

Berkeley, Bill (2001): The Graves are not yet Full. New York: Basic Books.

Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (1999): Afrika 1 Zeitschrift 264. Bonn: Schwann Bagel GmbH & Co KG.

Diamond, Jared (2005): Collapse. London: penguin group.

Die Bibel – Die heilige Schrift. Altes und neues Testament. Nach einer Übersetzung von Luther.

Gleichmann, Peter; Kühne, Thomas (Hrsg.) (2004): Massenhaftes Töten. Kriege und Genozide im 20. Jahrhundert. Essen: Klartext Verlag.

Harding, Leonhard (1998): Ruanda – der Weg zum Völkermord. Vorgeschichte – Verlauf –Deutung. Hamburg: Lit. Verlag.

Hoering, Uwe (1997): Zum Beispiel Hutu & Tutsi. Der Völkermord hätte verhindert werden können, befand ein UN-Bericht. Göttingen: Süd-Nord-Lamuv.

Kimenyi, Alexandre (1978): A Relational Grammar of Kinyarwanda. Volume 91. London: University of California Press.

Kimenyi, Alexandre (2002): A Tonal Grammar of Konyarwanda – an Autosegmental and  Metrical Analysis. Volume 9. New York: The Edwin Mellen Press.

Mamdani, Mahmood (2001): When Victims Become Killers. Colonialism, Nativism, and the Genocide in Rwanda. Princeton, New York: Princeton University Press.

Melvern, Linda (2000): A People Betrayed. The Role of the West in Rwanda's Genocide. London, New York: Zed Books.

Newbury, Catharine (1988): The Cohesion of Oppression. Clientship and Ethnicity in Rwanda 1860– 1960. New York: Columbia University Press.

Scholl-Latour, Peter (2001): Afrikanische Totenklage. München: Bertelsmann Verlag.

Semujanga, Josias (2003): The Origins of Rwandan Genocide. New York: Humanity Books.

Wikipedia, Ethnie: 05.10.2006, 12:35 Uhr., http://de.wikipedia.org/wiki/Ethnie

Wikipedia, Rasse: 05.10.2006, 12:40 Uhr. http://de.wikipedia.org/wiki/Rasse

Wikipedia, Ruanda: 05.10.2006, 15:40 Uhr.   http://de.wikipedia.org/wiki/Ruanda