Unterricht an der Universität in Santa Clara: Nuevo Hombre vs. Homo Oeconomicus

Die Uni in Santa Clara: Nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit meinen Kursen und der Einschreibung erhalte ich mittlerweile quasi-privaten Sprachunterricht. Gemeinsam mit Enes, einem Chinesen aus der Nähe von Shanghai, lerne ich täglich etwa 3 Stunden Spanisch. Leider sind die Möglichkeiten begrenzt: Es gibt kaum Papier bzw. Kopiermöglichkeiten, keine Audio- bzw. Videoabspielgeräte, keine Overhead-Projektoren und auch keine Lehrbücher.

Die Uni in Santa Clara: Nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit meinen Kursen und der Einschreibung erhalte ich mittlerweile quasi-privaten Sprachunterricht. Gemeinsam mit Enes, einem Chinesen aus der Nähe von Shanghai, lerne ich täglich etwa 3 Stunden Spanisch. Leider sind die Möglichkeiten begrenzt: Es gibt kaum Papier bzw. Kopiermöglichkeiten, keine Audio- bzw. Videoabspielgeräte, keine Overhead-Projektoren und auch keine Lehrbücher.

Internetzugang haben die Studenten ab 20.00 Uhr, wobei die gesamte Uni über eine einzige Leitung von 100Mb/s verfügt (einen besseren Haus- bzw. regulären Büroanschluss in Deutschland). Daran sind hunderte von Computern angeschlossen, was zur Folge hat, dass das einfache Abrufen von 3-5 Mails normalerweise 1.5 Stunden dauert. Oft ist die Seite fast fertig aufgebaut und dann wird plötzlich aus irgendeinem Grund der Zugang verweigert.

Kreide und Tafel sorgen für’s Nötigste beim Lernen. Unsere Professorin beglückt uns beständig mit linientreuen Texten, so lerne ich viel über die kapitalistische Ausbeutung des Landes vor der Revolution, über die Schlachten Chés gegen das Batista Regime und über die gegenwärtigen Erfolge des Sozialismus. Hierzu gehört unter anderem Material zur Schaffung des „Nuevo Hombre“ oder dem neuen Menschen. Dieser widerspricht dem Menschenbild des „Homo Oeconomicus“, welches in den Wirtschaftswissenschaften vorherrschend ist, in fast allen Punkten. Oft ist von altruistischen Taten die Rede, vom freundlichen, allzeit bereiten Arbeitern und Mitbürgern. Es wird appelliert an Mitgefühl und Zusammenhalt. Diese Nachrichten werden psychologisch verstärkt durch die sozialistischen Parolen, die an Stelle der heimischen Werbeplakate überall am Straßenrand zu finden sind. Diese beteuern, dass „eine bessere Welt möglich ist“, vergleichen Patriotismus mit Menschlichkeit und gipfeln in meinem Lieblingsspruch „Sozialismus oder Tod“. Letzterer spiegelt phantastisch die Schwarzweißmalerei wider, die das Weltbild dieses Landes bestimmt.

Ansonsten habe ich noch zwei andere Kurse belegt, nämlich Qualitätsmanagement in Tourismusbetrieben und Organisationspsychologie. Die akademische Messlatte ist hier nicht ganz so hoch anzulegen. Zugegebenermaßen erlauben die Umstände natürlich auch keine Lernqualität wie bei uns, dennoch besteht die Aufgabe der Studenten lediglich darin den Wortlaut der Professoren möglichst genau zu kopieren. Kritisches Denkvermögen ist hier nicht gefragt. Leider war das in meinem bisherigen Studium auch oft nicht anders, dennoch empfand ich es als nicht so offensichtlich wie hier. Interessant am Unterricht ist, dass viele der wirtschaftlichen Konzepte aus dem Westen ihre Anwendung finden. Oft werden die Namen der Wissenschaftler nicht genannt, aber auch in der Bibliothek findet man bei genauer Suche (alte Ausgaben der) Werke von Kotler, Porter, Samuelson und Co. Im Qualitätsmanagement werden außerdem regelmäßig die ISO-Normen zitiert, man gibt sich also weltoffen. Regelmäßig fallen auch deutsche Namen von Wissenschaftlern oder Institutionen, überhaupt ist Deutschland in der Wirtschaftsfakultät recht präsent. Ein guter Teil der Professoren hat den Doktortitel in Kooperation mit den Unis in Leipzig, Rostock oder Magdeburg erhalten und pflegt zum Teil noch immer den Kontakt. Gestoppt wird die Diskussion oft an den wirklich interessanten Stellen, nämlich wenn die Entlohnung in’s Spiel kommt. Dass mehr Verantwortung auch mit höherer Entlohnung einhergeht und dass Entscheidungen von den Personen getroffen werden sollten, die über das entscheidungsrelevante Wissen verfügen, sind hier politisch nicht tragbare Konzepte.

Sozialismus im Klassenzimmer: Neulich wurde das Gespräch im Spanisch-Kurs politisch. Enes fing an zu wettern über das sozialistische Regime in China. Es gäbe zu viel Vetternwirtschaft, zu viel persönliche Vorteilnahme und die Partei nehme zu viel Einfluss auf das Leben der Individuen, dennoch sei das Leben dort immer noch 1000mal freier als in Kuba. Es gäbe mehr zu Essen, das Verkehrswesen sei fortgeschrittener und auch sonst sei die Lebensqualität wesentlich höher. Schon während seines Monologs bekam die Professorin einen roten Kopf und forderte Enes wiederholt auf zu flüstern bzw. komplett zu schweigen. Ich fühlte mich etwas wie im Kindergarten, begegnete den Aufforderungen der Professorin mit verständnislosem Kopfschütteln. Kaum hatte Enes ausgesprochen, unterrichtete sie uns flüsternd, man dürfe so etwas nicht sagen, noch nicht einmal denken, immerhin wäre die Überwachung hier sehr streng. Nervös hielt sie dabei Blickkontakt mit der Tür. In jedem Land gäbe es gute und schlechte Seiten des Lebens. Und Kuba hätte viele enorme Dinge erreicht. Dann kam die Leier mit dem Gesundheitswesen und der Armut, mit der man hier täglich konfrontiert wird. Enes grinste die ganze Zeit hocherfreut, weil er der Meinung ist, dass ihm als Ausländer hier nichts passieren kann. Zu Hause müsste er sich mit solchen Äußerungen natürlich auch vorsichtig verhalten, hier allerdings sieht er sich dazu nicht gezwungen.

Am nächsten Tag haben wir bei einer Vertretung Unterricht, diese ist nur mäßig motiviert und versucht uns in ein Gespräch zu verwickeln. Ob wir denn schon mit Kubanerinnen in Kontakt gekommen seien, will sie wissen. Wir wären doch als Ausländer bestimmt fürchterlich interessant?! Eigentlich erwartete sie gar keine Antwort und fing gleich an uns in puncto sexueller Aufklärung eine Nachhilfestunde zu geben. Ob wir denn schon Kondome gekauft hätten und ob wir uns der Bedeutung selbiger im Klaren sind? Ausländische Studenten, das schließt mich ein, werden vor dem Antritt ihres Studiums zu einer Blutprobe gebeten, die sämtliche Risiken aus dem Weg räumt. Wie viele Bürgerrechtsbewegungen sich bei einem solchen Schritt in Deutschland zu Wort melden würden, wäre mehr als interessant. Junge Menschen dieses Landes werden bei häufigem Partnerwechsel, der hier permanent als schmeichelhafte kubanische Tugend verkauft wird, auch schon einmal vom Doktor um die Ecke auf eine persönliche Sprechstunde eingeladen, bei der der aktuelle Krankheitsstatus gecheckt wird. Dieser Vorgang ist mitunter nicht ganz freiwillig und bedarf natürlich auch einer gewissen Kontrolle…