Eine Frauen-Entwicklungshilfeorganisation in Afghanistan: Eine Hühnerfarm und eine Schule

Morgens früh holte mich der Fahrer von Karla ab. Zu Karla kommen bald auch zwei Frauen von der Frauen-Entwicklungshilfeorganisation. Eine etwa Vierzigjährige, Nadia, in rotem Kostüm, über das sie draußen ein Burka stülpt und eine zweite knapp zwanzigjährige, schwarz gekleidete Frau, die übersetzte. Zusammen fahren wir mit einem Fahrer und Auto (sah aus, wie ein Taxi) durch die Stadt. Eine große Straße ist gesperrt, wegen eines Blitzbesuches von Joschka Fischer.

Morgens früh holte mich der Fahrer von Karla ab. Zu Karla kommen bald auch zwei Frauen von der Frauen-Entwicklungshilfeorganisation. Eine etwa Vierzigjährige, Nadia, in rotem Kostüm, über das sie draußen ein Burka stülpt und eine zweite knapp zwanzigjährige, schwarz gekleidete Frau, die übersetzte. Zusammen fahren wir mit einem Fahrer und Auto (sah aus, wie ein Taxi) durch die Stadt. Eine große Straße ist gesperrt, wegen eines Blitzbesuches von Joschka Fischer. (Holger Balke durfte ihm drei Minuten über die Arbeit des Entwicklungsdienstes in Afghanistan berichten, was er sich offensichtlich müde und gelangweilt anhörte). Auf eine Nachfrage von Nadia gebe ich eine kurze Einführung in die Geschichte und Rolle der Grünen aus meiner Sicht. Karla korrigierte mich an den Stellen, wo ich gar zu sehr vom Leder zog. Als erstes haben wir eine Hühnerfarm besucht. In der Nähe vom Flughafen, einer dieser normalen Höfe mit einer hohen Mauer drum herum. Dieser Hof sei erst neu bezogen worden, die Hühner gerade erst aus Pakistan gekauft, das Futter wird auch gekauft. 1000 Hühner seien es, sie haben einen überdachten Auslauf und in einem Schuppen kleine Lehmnischen zum Legen. Auf der anderen Seite des Hofes gibt es ein zweistöckiges Gebäude, das unten zum Teil als Lagerraum genutzt wird. Drei Witwen würden hier arbeiten und leben, mit ihren Kindern. Ich sehe eine alte Frau (was nicht heißt, dass sie tatsächlich alt ist, in Afghanistan altern die Frauen sehr schnell), einen Mann Anfang zwanzig, einen Jugendlichen und zwei, drei Kinder. Ich verstehe, dass wir wegen der Infektionsgefahr mit unseren Straßenschuhen nicht in den Stall sollen, dann werden wir aber doch hineingelassen. Die Hühner lassen sich anfassen, anders, als ich das aus Deutschland her kenne. Nadia sagt, dass sie selbst vier Hühnerfarmen in Kabul betreut, dass es aber weit mehr gibt, wie viel weiß sie nicht. Der Gewinn der Farmen fließe an die Organisation zurück. Anschließend fahren wir zu einer Schule, es ist aber noch niemand da. Deshalb geht es weiter zu einem Hof, in dem ein stummes Mädchen, etwa 19 Jahre alt, wohnt. Sie hat als kleines Baby während eines Bombenangriffes ihr Gehör teilweise verloren. Als wir kamen, war sie dabei, Kohlenstaub mit Wasser zu Fladen zu backen, um sie dann im Winter im Ofen verbrennen zu können. Ihre Mutter sei Lehrerin, in dem Hof gab es noch eine 16-jährige, einen etwa 12-jährigen und ein kleines Mädchen. Der Hof hatte einen Garten und in der Mitte einen Ziehbrunnen. Der Eimer an diesem Brunnen war aus alten Autoreifen gemacht, wie es sie hier oft zu kaufen gibt. Die 19-jährige, die mir sehr klar und konzentriert erschien, im Übrigen aber sehr schüchtern war, sei sehr intelligent und würde den Haushalt managen. Ob sie denn auch aus dem Haus heraus käme, fragte Karla .Ja, ab und zu zum einkaufen, meinte ihr Bruder. Als Karla eher entsetzt reagierte, meinte Nadia, dass sie schon auch mal aus dem Haus käme, zum Verwandtenbesuch und so weiter. Nach einer Weile sind wir wieder zu der ‚Schule’: Wieder ein Hof, vor dem Haus zwei Mädchen, die Wäsche waschen. In einem Raum, vielleicht drei mal vier Meter sitzen etwa zehn 12-16jährige Mädchen, eine Frau ist dabei. Während wir dort sind, kommen noch etwa zehn Mädchen dazu. An der Wand hängen Nähsachen. Nähen, schreiben und noch etwas, was ich vergessen habe, werden unterrichtet. In dem Haus wohne eine Witwe mit ihren Kindern. Einen jungen Mann, der auf meine Nachfrage erklärte, er wohne hier, sah ich auch und noch eine zweite ältere Frau. In dem zweiten Raum des Hauses bekamen wir Obst und Gebäck angeboten. Der junge Mann ging solange vor die Tür, während wir dort saßen und aßen. Nadia langte tüchtig zu, wir anderen drei waren etwas zurückhaltender, sonst aß niemand etwas, es war ja noch Ramasan. Die beiden älteren Frauen seien Schwestern und würden beide abwechselnd unterrichten. Leise und auf Englisch erklärte Nadia, dass die eine der beiden Frauen auch Prostituierte gewesen sei. Karla hatte sie ursprünglich gefragt, ob sie vielleicht eine Prostituierte fotografieren und interviewen könne. Weil sie es wichtig fand darüber zu berichten, wie sehr es gerade auch in Kabul Prostitution gäbe. Viele reagieren darauf mit Erstaunen, dabei ist es doch naheliegend, dass dort, wo Frauen derart entrechtet sind, sie auch am meisten ausgebeutet werden. Prostitution ist für Männer leicht, wo Frauen arm sind und niemals die Möglichkeit haben, darüber öffentlich zu reden. Als wir uns morgens bei Karla trafen, hatte Nadia gefragt, ob sie etwas Geld für das Interview und die Geschichte der Frau bezahlen könne. Wie viel denn, fragte Karla zurück. Zu Taliban- Zeiten hätten sie um etwa 300 Dollar gebeten, aber jetzt wären 100-200 Dollar okay. Karla erschrak richtig, nein, soviel habe sie nicht, nein, auch 50 Dollar nicht. Sie würde lieber kein Interview machen. Nadia bat mich, die Plätze, die wir besucht hatten, niemandem zu zeigen. Sie gab mir eine Visitenkarte mit der Adresse der Organisation in Pakistan und schrieb ihren Namen dazu. Sowohl das Bienenprojekt, das ich ihr vorschlug (ich bin in Deutschland Imker), als auch ein Ausbildungsprojekt für Schreinerinnen fand sie sehr interessant, wobei sie die Schreinerei deutlich mehr interessierte. Von mir hatte sie auch schon gehört, also waren meine früheren Versuche, Kontakt aufzunehmen doch nicht ganz umsonst gewesen. Mit Karla machte sie noch einen Termin für Samstag, mit mir einen Termin für Dienstag (ob sie zu uns ins Gästehaus kommen könne?). Ich bin zu Fuß nach Hause, weil das Klassenzimmer in unserer Nähe war. Nach dem Mittagessen fahren wir ins Büro und bekommen eine Einweisung in die Handhabung von Funkgeräten. Wir bekommen alle eines ausgehändigt. Allerdings sind wir mit unserem Haus in Taimani zu weit von dem Entwicklungsdienst-Büro entfernt, so dass wir mit denen nicht in Funkkontakt treten können. Andere deutsche Organisationen funken allerdings auf der gleichen Frequenz, so dass eine Chance besteht, dass irgendwer unsere möglichen Hilferufe hört. De facto habe ich es nie benutzt. Dienstag, 26. November