Mir Afzal hatte einen Mullah eingeladen, der uns über den Islam erzählen sollte. Karl war auch die halbe Zeit mit dabei. Der Mullah war noch recht jung, so Mitte 20 und brachte zwei Schüler mit. Alle drei lümmelten sich etwas unsicher auf den (ungewohnten) Stühlen. Er erwartete wohl ein heftiges Streitgespräch und entschuldigte sich zuerst, dass er heute sehr müde und nicht so fitt sei, er habe auch nicht so viel Zeit. Die Taliban hätten ihn übel geschlagen, deshalb die Kopfschmerzen. Er wolle gerne Fragen von uns hören, auf die er möglichst konkrete Antworten geben möchte.
Mir Afzal hatte einen Mullah eingeladen, der uns über den Islam erzählen sollte. Karl war auch die halbe Zeit mit dabei. Der Mullah war noch recht jung, so Mitte 20 und brachte zwei Schüler mit. Alle drei lümmelten sich etwas unsicher auf den (ungewohnten) Stühlen. Er erwartete wohl ein heftiges Streitgespräch und entschuldigte sich zuerst, dass er heute sehr müde und nicht so fitt sei, er habe auch nicht so viel Zeit. Die Taliban hätten ihn übel geschlagen, deshalb die Kopfschmerzen. Er wolle gerne Fragen von uns hören, auf die er möglichst konkrete Antworten geben möchte. Die hatten wir schon zusammengestellt und trugen sie nun vor. Zur Stellung der Frau: Die Frauen und Männer würden im Islam gleich behandelt. Der Islam schreibe auch nicht den Tschadori vor, die Frau dürfe ruhig ihr Gesicht zeigen. Unterschiede gebe es aber schon bezüglich der Kleiderordnung von Mann und Frau. Ein Kopftuch ist wichtig und der Hals der Frau darf natürlich auch nicht frei sein, eigentlich alles, bis zu den Knöcheln. Wenn eine ausländische Frau sich unter Moslems bewegt, dann ist es ihre Sache, wie sie sich kleidet. Aber der Muslim muss trotzdem ihre Ehre verteidigen. Zu bedenken gab er, dass aber auch in der Bibel stehe, dass Frauen und Männer hochgeschlossene Kleidung tragen sollen. Er würde uns gerne die Bibel vorlesen und uns zeigen, wo es dort steht. Dann sprach er Martina direkt an und meinte zu ihr, was sie denn selbst finden würde: Ob es nicht auch viel schöner aussehen würde, wenn sie ihren Hals mehr bedecken würde als jetzt. Frauen dürften auch in Büros arbeiten, zusammen mit Männern, das ist kein Problem, sie dürfen nur nicht laut reden. Im Rundfunk dürfen sie schon sprechen, weil sie dann eine Art von Lehrerin sind. Mohammeds erste Frau war ja immerhin Unternehmerin und Lehrerinnen sind auch wichtig. Schreiben dürfen Frauen. Frauen werden auch beim Erbe nicht benachteiligt. Sie bekommen ein Drittel des Erbes, der Mann zwei Drittel und davon ist die Hälfte für die Frau gedacht, die er heiraten wird. Vorbeterinnen darf es deshalb nicht geben, weil ein Vorbeter das den ganzen Tag machen muss. Und das kann eine Frau oft nicht. Außerdem könnte ihr Mann ihr das plötzlich untersagen und dann wäre die Gemeinde ohne Vorbeter. Und zusätzlich sind Frauen einmal im Monat unrein und fallen dann auch aus. Der Islam ist eine ganz einfache Religion und leicht zu befolgen. Mohammed hat auf den alten mosaischen Religionen aufgebaut und sie erläutert und verbessert. Insofern ist der Islam eine fortschrittlichere Variante des Christentums. Sie, die Moslems, sind gerührt, wenn sie an Maria denken und Jesus erfüllt ihr Herz mit Freude und Liebe. Wieso wir, die Christen, denn Mohammed, den letzten der Propheten, so ablehnen? Warum sind wir keine Moslems? Wenn irgendetwas im Islam schwierig sein sollte, irgendeine Frage des Alltags, so gibt es eine ganze Reihe von praktischen Erläuterungen, die man erfragen kann. Das kommt daher, weil der Islam sehr tolerant ist. Geht z.B. ein Mann auf Reisen während Ramasan, dann braucht er nicht unbedingt zu fasten. Oder wenn er krank ist. Höflichkeit ist ein wichtiges Gebot im Islam. Wenn ein Mann seine Tochter jemand anderem zur Frau gibt, darf der Schwiegersohn die Frau nicht in Gegenwart des Vaters küssen. Ramasan ist eine Pflicht für jeden guten Moslem. Der Mensch soll dadurch zum Guten bewegt werden. Wenn man ein Pferd kontrollieren will, braucht man ein Zaumzeug. So soll man sich selber auch zum Guten zähmen. Die Engel halten Abstand von den Menschen, die Alkohol trinken, nicht fasten oder lügen. Nach dem Islam sind alle Wissenschaften zulässig, auch das Erlernen von Sprachen, auch Hebräisch. Der Islam macht keinen Unterschied bei verschiedenen Sprachen, alle können sich zum Islam bekennen. Das war im Grunde die vorweggenommene Antwort auf die Frage, warum der Koran nicht übersetzt werden darf und arabisch (in Afghanistan verhasst), die einzig richtige Fassung des Koran ist. Der Mullah hatte immer das Bedürfnis zu beweisen, dass der Islam nicht rückständig ist, sondern im Gegenteil die am weitesten entwickelte Religion. Er fragte mehrfach, ob uns seine Antworten gefallen hätten. Zum Glück hatten wir noch Karl Anders dabei. Mir Afzal hatte nämlich nicht alles übersetzt. Dass die Frauen während ihrer Periode unrein seien, wäre doch gar nicht wichtig gewesen, meinte er. Karl erklärte uns noch, dass der Mullah darauf trainiert werde, bestimmte konkrete Fragen zu beantworten. Die Antworten sind festgelegt und die Fragen im Grunde auch. Deshalb wollte er zu Anfang unsere Fragen wissen. 2. Dezember 2002