Um 7 Uhr sollte ich abgeholt werden von den ZIM-Leuten. Um 10 vor 7 kam Arnold zu uns rein und ich sollte gleich mitkommen, ich war noch am Essen. Im Büro mussten wir dann eine dreiviertel Stunde warten, bis Ole Van den Berg auch so weit war. Er war mir sehr viel sympathischer, als ich nach den ganzen Vorinformationen gedacht hätte. Er beklagte sich, dass er mich nicht eher zu Gesicht bekommen hätte. Dann wüsste er besser, wie er mich einplanen solle.
Um 7 Uhr sollte ich abgeholt werden von den ZIM-Leuten. Um 10 vor 7 kam Arnold zu uns rein und ich sollte gleich mitkommen, ich war noch am Essen. Im Büro mussten wir dann eine dreiviertel Stunde warten, bis Ole Van den Berg auch so weit war. Er war mir sehr viel sympathischer, als ich nach den ganzen Vorinformationen gedacht hätte. Er beklagte sich, dass er mich nicht eher zu Gesicht bekommen hätte. Dann wüsste er besser, wie er mich einplanen solle. Auf dem Weg nach Hezarak (einer meiner Kollegen sagte: “Wenn ich diese Berge sehe, muss ich immer an Frauen denken”) habe ich länger darüber nachgedacht, wie ich es schaffen könnte, nicht im ZIM- Gästehaus wohnen zu müssen. Lieber in einer afghanischen Familie, eigenes Zimmer, Toilette im Haus, Kochmöglichkeit für mich selbst. Die Fahrt war atemberaubend. Erst auf der Straße nach Jallalabad, überall Kinder, zum Teil auch, wo weit und breit kein Haus zu sehen war. Militärposten, riesige Höfe aus braunem Lehm, von außen nur die Mauern wie Trotzburgen. Eine besonders große Burg: Das ehemalige Zentralgefängnis, jetzt nicht in Benutzung. Dann ging es in die Berge, durch wüstenähnliches Gelände erst, später in ein Tal, die Berge völlig ohne Bewuchs und vor sich hin erodierend, auf dem Boden nur ab und zu ausgedörrte Sträucher oder Grasbüschel. Eine Gruppe Hirten. Neben uns die ganze Zeit ein Flussbett, erst völlig ohne Wasser. Das Tal wird immer enger, wir sind dicht am Fluss, der nun etwas Wasser führt. Das ist allerdings vereist (es ist schon ein gutes Stück kälter als in Kabul, in dem engen Tal mit wenig Sonne sowieso). Gegen Ende des Tales völlig unerwartet eine Reihe Bäume im Talgrund. Kurz darauf müssen wir den Bach überqueren (hier ist er kleiner), ganz viel Geröll, ein Auto (wir waren mit dreien unterwegs) bleibt erst mal stecken, bevor der Fahrer das Allradgetriebe in Gang setzt. Das normale Taxi, das seit einer Weile hinter uns her fuhr, hat es da schwerer, schafft es aber nach einiger Zeit dann auch. Auf der Strasse sehen wir ganz ab und zu ein Motorrad, einmal ein LKW, der Steine auflädt, einmal eine Gruppe Arbeiter, die mit viel Getöse Steine den Hang hinab auf die Strasse fallen lassen. Ich nehme an, Steine für den Hausbau. Aus dem Tal heraus geht (in der Nähe eines Staudammes) eine Serpentine auf eine Hochebene, an gekennzeichneten, weitläufigen Minenfeldern vorbei. Später sehen wir eins, zwei, drei Ansammlungen von Häusern, zum Teil heftig zerstört, und höchstens mal Kinder, sonst niemanden. Bis wir um einen Berg herum an eine Stelle kommen, wo viele arbeiten, zum Teil an einem größeren Gebäude. Wir fahren daran vorbei zu einem Hof, der die Schreinerei beherbergt. In der Schreinerei arbeiten etliche Arbeiter an Fenstern, mit großen Langhobeln (Rauhbänken) ohne Strom. Drei, vier pakistanische Maschinen gibt es aber auch. Eine davon ist nicht benutzbar, eine Bandsäge, die anderen sind mehrfach kombinierte: Kreissäge, Dickte, Abrichte und Bohrmaschine. Ole Van den Berg führt auf Englisch ein Gespräch mit dem Projekt-Manager der Partnerorganisation NGE, einem Afghanen, dem ich nur mühsam folgen kann. Plötzlich dämmert mir aber, dass dieses Gespräch darum geht, dass ich in diesem Hof wohnen und arbeiten soll. Kurz darauf wird mir ein kleines Zimmer als mein Schlafraum gezeigt, mit kaputter Tür nach draußen und möbliert mit etlichen Matratzen. Zum Wochenende will mich Van den Berg jeweils abholen lassen. Es gibt Funkkontakt nach Kabul, wie ich verstehe, zu ihm. Wir schauen uns noch die Umgebung an, ich versuche mit den Leuten auf Dari zu reden, was auch meistens geht (eigentlich sprechen viele nur Pashtu). Öfter verschwinde ich in einer Gruppe von Afghanen, während die anderen Deutschen zusammenstehen. Ich finde die Art, wie Van den Berg mir meinen Einsatzort nahe gebracht hat, unter aller Sau, aber ansonsten bin ich begeistert: Nicht in Kabul arbeiten, sondern hier, wo Hilfe nötig ist, mit Afghanen leben und arbeiten und nicht im Ausländer-Ghetto und trotzdem den Kontakt zu Kabul nicht verlieren. Von diesem Hof aus, der genau am Abhang steht, hat mensch einen weiten Blick über das Tal. Unten ist es tatsächlich grün, Felder gibt es dort. Ich weiß nicht, was sie dort anbauen, von oben sieht es aus, wie das frische Grün von jungem Weizen, also mehr grasartig (später weiß ich: Es ist auch Weizen). Ringsumher Berge, Steine, weiter hinten die Berge, gewaltig und schneebedeckt. Wir fahren dann zu dieser Baustelle von vorhin. Eine holländische Organisation mit hauptsächlich einheimischem Personal, ist hier im Tal zu Gange. Die Baustelle ist eine Schule, etliche Arbeiter sind dort. In der Mitte ist ein Zelt, in dem ein alter Mann wohnt. Ich frage um Erlaubnis, es fotografieren zu dürfen. Auch eine Krankenstation ist dort, ich kann nur nicht erkennen, in wie weit sie in Betrieb ist. Anschließend fahren wir etwa 10 Minuten zu einem der nächsten Orte, vielleicht, zehn, zwölf Höfe. In einem offenen Innenhof, gebildet aus mehreren Höfen, gibt es eine Wasserpumpe, Hühner laufen und ein alter Schreiner arbeitet dort im Freien an einem Fenster. Er ist wohl einer der beiden Ausbilder in der Schreinerei oben, wir werden vorgestellt, fragen uns nach unserem Befinden. Kurz sehe ich auch die einzige Frau während meines Aufenthaltes in Hezarak, bevor sie in einem Haus verschwindet. Ole hebt irgendein auf dem Boden liegendes Geschoss auf und zeigt es dem afghanischen Counterpart, schmeißt es dann wieder weg. Ich wundere mich, weil wir ja gehört haben, dass wir besser nichts aufheben, was es an Munition und sonstigem Metall auf afghanischen Boden so gibt. Aber weil die beiden das so unbedenklich angefasst haben, nehme ich es mit. Später bittet Ole mich, das Teil irgendwo auf der Fahrt weg zu schmeißen. Das sei nicht ein Projektil aus vollem Material, sondern es habe innen hohl geklungen. Wahrscheinlich sei das eine Leuchtmunition gewesen, die nachts für Maschinengewehre als jedes zehnte Projektil benutzt würde, um das Ziel auszuleuchten. Ich war ganz dankbar für diese Information und habe es später dann auch weggeworfen. Auf dem Rückweg habe ich mich zu Ole in den Wagen gesetzt, um etwas mehr über das Projekt zu erfahren. Das ganze Tal war wohl ziemlich entvölkert, erst vor einem Jahr sind die Leute wieder aus Pakistan zurückgekehrt (was, wie sich später heraus stellte, so nicht stimmte), im Wesentlichen Paschtunen, die von Haus aus nicht Dari sprechen, was ich gerade lerne. Die Schreinerei wird von NGE unterhalten, mit Geldern vom UNHCR, damit die Häuser wieder Fenstern und Türen bekommen. Später sollen dann Möbel gefertigt werden. 2 Klassenräume sollen noch gebaut werden bis zum 10. Dezember, also dem Ende von Aid, dem Fest nach Ramasan. Es gibt noch Unstimmigkeiten mit dem Besitzer des Hofes, wegen des Ausbaues der Klassenräume, irgendwie will er dafür nichts bezahlen, aber dann mehr Miete. Ich soll dort drei Monate einen Basic-Kurs leiten, danach 3 Monate einen Advanced-Kurs. Später sollen daraus zwei, drei Betriebe entstehen. Nach diesen Informationen meinte Ole zu dem Entwicklungsdienst-Kollegen, der mit uns im Auto fuhr: “Dich schicke ich auch demnächst nach Mazar-i-Sharif!” Der Kollege wurde sehr unruhig. Ich sagte ihm, das Mazar wirklich eine schöne Stadt sei, viel besser als zum Beispiel Kandahar. Ole fragte dazwischen, wie ich denn das meinte. Ich antwortete, Kandahar sei ein Wüstenloch, sei mir erzählt worden, aber Mazar-i-Sharif solle wunderschön sein, ähnlich wie Herat. Ole erklärte daraufhin dem Kollegen, er würde ihn vielleicht auch nach Kunduz schicken. Das würde er entscheiden, je nachdem, was sinnvoll wäre. Es könnten ruhig einige Leute sauer auf ihn sein, er habe einen breiten Rücken, auf dem das hinunter rutschen könne (Ole ist Holländer, deshalb die unorthodoxe Ausdrucksweise). Zurück im Büro gab es ein superleckeres Mittagessen (zwei Köche, die auch ein- und abdeckten) und ich klärte noch einige Termine mit Ole ab (die alle nicht zustande kamen). Zu Fuß bin ich an die nächste große Straße, mir ein Taxi suchen und nach Taimani ins Gästehaus gefahren. Gelernt haben wir mit Neda, ich bin mit Astrid und Klaus ins Interkonti und habe Svenja und meinem Sohn eine E-Mail geschrieben. 19.11. Dienstag