Morgens um 7.00 Uhr holt uns (Astrid und mich) einer der Fahrer des Entwicklungsdienst-Büros vom Gästehaus ab. Bei der holländischen Organisation im Büro werde ich Said Machmat, einem afghanischen Architekten, vorgestellt. Said Machmat stammt auch aus Hezarak und kann gut Englisch. Alles verstehe ich allerdings nicht. Er ist mein formeller Vorgesetzter, zuständig für die fachlichen Fragen. Ein Fahrer ist wohl krank, ein Auto defekt und ein bestelltes Taxi ist nicht gekommen. Mr. Beckum wird irgendwann ungeduldig und fängt an, die Leute vom Hof zu scheuchen.
Morgens um 7.00 Uhr holt uns (Astrid und mich) einer der Fahrer des Entwicklungsdienst-Büros vom Gästehaus ab. Bei der holländischen Organisation im Büro werde ich Said Machmat, einem afghanischen Architekten, vorgestellt. Said Machmat stammt auch aus Hezarak und kann gut Englisch. Alles verstehe ich allerdings nicht. Er ist mein formeller Vorgesetzter, zuständig für die fachlichen Fragen. Ein Fahrer ist wohl krank, ein Auto defekt und ein bestelltes Taxi ist nicht gekommen. Mr. Beckum wird irgendwann ungeduldig und fängt an, die Leute vom Hof zu scheuchen. Said Machmat steigt also zu uns ins Auto und wir fahren schon mal los. Die anderen Autos bleiben aber und ich frage Said Machmat, was denn nun mit denen sei, weil ich ja nicht mit einem Auto nur fahren soll. Die kommen nach, verstehe ich. Viel später wird mir klar, dass die tatsächlich nachkommen, irgendwann. Bin ich jetzt schuld, hätte ich massiver darauf bestehen sollen, gar nicht erst los zu fahren? Keine Ahnung. Ich hatte jedenfalls vor der Losfahrt noch mal ganz klar gesagt, dass das Bedingung ist. Said Machmat erzählt über das Projekt: Die Organisation arbeitet dort vor allem mit örtlichen Afghanen. Im Moment bekommen sie noch Geld von der UNHCR. Das läuft allerdings bald aus, weil die UNHCR nur direkte Nothilfe für Flüchtlinge bezahlt. Dazu gehört auch die Produktion der Fenster und Türen, die ich gesehen habe. Eine Schule mit 430 Kindern und etwa 20 Lehrern (ein Lehrer verdient 40 Dollar), eine Krankenstation und vielfältige Gesundheits- (Vorsorge) Kurse, eine Ackerbau-Beratung und Wasserbau (Brunnen, Pumpen, Bewässerung) werden ebenfalls von der Organisation organisiert. Hezarak ist nicht ein Ortsname, sondern ein Gebiet mit 46 Dörfern. Dort wohnen derzeit 1200 Familien (schätzungsweise 10 000 Menschen), es gibt keinen Bazar und bisher im Grunde keine Einkommensmöglichkeiten, außer dem langsam wieder beginnenden Ackerbau. Auf dem Weg dorthin wieder erst die Straße nach Jallalabad, vorbei an vorsichtig grünen Feldern. Auf einem Feld sehe ich einen Bauern mit Pferd pflügen. Dann in den Süden, erst die teilweise eingestürzte Brücke über den Kabul- Fluss, durch den letzten Bazar in Pul-e-tschari, dann weg von der befestigten Straße, vorbei an einer gigantischen Funkanlage der Amis und dem riesigen Gefängnis. Weiter durch die breite Flussebene geht es dann in ein Bachtal zwischen kahlen, hohen, felsigen und braunen Bergen. Auf dem holprigen Weg sind diesmal mehr Kinder, Fahrradfahrer, Mopedfahrer, LKWs, die Steine abtransportieren und Eseltreiber unterwegs. Zum Teil haben sie hohe Lasten aus Reisigbündeln geladen (das sehen wir allerdings erst auf dem Rückweg). Keine Ahnung, woher sie das holen, welche Reste von Vegetation sie da wegräumen. Die Bündel werden von Eseln, Erwachsenen und Kindern getragen. Das Tal wird enger, wir kommen wieder an die Stelle, wo etliche Bäume noch stehen und offensichtlich auch ein paar Felder mal waren, ein Haus. Wir fahren halb durch das Bachbett, zur Linken der Staudamm, aus den 30iger Jahren, von Deutschen gebaut. Er war die Grundlage für die umfangreiche Bewässerung in dem Gebiet ringsum. Die Russen haben das Bewässerungssystem zerbombt und um den Damm herum alles vermint, die alte Straße am Staudamm vorbei ist nicht mehr benutzbar. Von den Kämpfen zeugt noch ein zerbombter Panzer. Oben auf einem verminten Hügel neben dem Staudamm sehe ich ein bewohntes Zelt. Hier verläuft die Bezirksgrenze, wird mir später erklärt, und dort oben ist ein Wachposten. Die neue Straße geht zirka hundert Höhenmeter in Serpentinen den Hang hinauf, bis zur weiten Ebene von Hezarak. Der Bach hat sich durch diese Ebene eine breite Rinne gegraben, dort gibt es viele Felder, viele auch leicht grün (wie schon geschrieben: hauptsächlich Weizen), alle mit kleinen Bewässerungsdämmen. Auf der Höhe der eigentlichen Ebene ist alles nur kahler Stein und Lösstaub. Weit hinten an den Rändern der Ebene mehrere Dörfer, wir fahren später auch durch eines, ein Lehmruinendorf, sehr große, ummauerte Höfe und zum Teil bewohnt. Irgendwo in der Mitte eine Wasserpumpe. Der Weg führt rechts am Rande der Ebene zwischen zwei Bergen hindurch, an dem Neubau der Schule vorbei und der Krankenstation, den Hang hinauf zur Schreinerei. Unterwegs frage ich Said Machmat nach Gulbuddin Hektmatyar, einem der übelsten Kriegsfürsten. Der versucht inzwischen, mit den Resten der Taliban gemeinsam, gegen die Amerikaner und die Regierung Karzai zu kämpfen. Hezarak soll früher eines seiner wesentlichsten Aufmarschgebiete im Kampf gegen die Russen gewesen sein. Damals wurde er noch von den Amerikanern finanziert. Da Hektmatyar noch immer sein Unwesen treibt, gibt es Gerüchte, dass seine Leute auch in Hezarak sind. Said Machmat ist eher empört und genervt. Wortreich erklärt er mir, dass die Leute von Hezarak mit Hektmatyar nichts zu tun haben. Klar, er will den sowieso schon verhassten Panjiris keinen Vorwand liefern, in Hezarak ‚Terroristen’ zu suchen. (Ich ahnte ja nicht, dass auch Said Machmat Hektmatyar -Anhänger ist) Sonntag, 1. Dezember