Von November 2002 bis April 2003 war ich mit einer deutschen Entwicklungshilfe-Organisation in Afghanistan. Dankbar für diese Möglichkeit, habe ich ein erstaunlich vielseitiges und interessantes Land kennen gelernt: Durch die Taliban-Herrschaft traumatisierte Menschen, karge, aber wunderschöne Landschaften, Ruinen-Viertel und zahlreiche Neubauten, Gastfreundschaft und eindrucksvolle Persönlichkeiten, Straßen voller Bettler und im Frühjahr endlich wieder grüne Felder sind nur ein paar Stichworte aus vielen Begegnungen.
Von November 2002 bis April 2003 war ich mit einer deutschen Entwicklungshilfe-Organisation in Afghanistan. Dankbar für diese Möglichkeit, habe ich ein erstaunlich vielseitiges und interessantes Land kennen gelernt: Durch die Taliban-Herrschaft traumatisierte Menschen, karge, aber wunderschöne Landschaften, Ruinen-Viertel und zahlreiche Neubauten, Gastfreundschaft und eindrucksvolle Persönlichkeiten, Straßen voller Bettler und im Frühjahr endlich wieder grüne Felder sind nur ein paar Stichworte aus vielen Begegnungen. Meine Eindrücke habe ich in einem ausführlichen Tagebuch an meine Frau niedergeschrieben und damit den Grundstock für die Berichte in diesem Blog gelegt. Ich habe sämtliche Namen geändert. Um Freunde oder Gesprächspartner zu schützen, war ich leider auch gezwungen, Orte und bestimmte Begebenheiten so zu verändern, dass einige Personen keinesfalls mehr identifiziert werden können. Das habe ich deshalb bedauert, weil ich selbst gerne mit dem Finger auf der Landkarte nachvollziehe, wo eine Geschichte gerade spielt. Ich bitte um Nachsicht.
Der Flug nach Kabul
Als mein Sohn sich von mir verabschiedete, war ich der einzige Zivilist unter einer Menge Uniformierter, direkt vor dem Eingang des Militärflughafens Köln-Wahn. Sie alle standen herum und warteten, rauchten noch eine und unterhielten sich. Aus den Augenwinkeln wurde ich beobachtet. Als Astrid mit dem Taxi eintraf, war ich etwas erleichtert. Kurz darauf kamen auch Martina und Klaus. Wir hatten uns in der sechswöchigen Vorbereitung schon kennen gelernt und wollten nun zu viert nach Afghanistan ausreisen. Schnell wurde es dunkel und dieser Flughafen mit den vielen Soldaten bekam etwas sehr Unwirkliches. Eine Weile mussten wir in einem großen Zelt warten, nachdem erst noch unklar war, ob wir überhaupt mitfliegen dürfen. Wir waren nicht auf den Passagierlisten aufgeführt.
Unser Gepäck durchleuchtet, die Pässe kontrolliert, aber im Gegensatz zu den Soldaten nicht nach Waffen abgetastet, ging’s dann in den komfortablen Airbus. Start und Landung waren sehr sanft, ich hatte mir das ruppiger vorgestellt auf meinem ersten Flug. Zwischendurch bekam ich kurz mal Panik, als ich durchs Fenster sehen konnte, wie sehr der Flügel wackelt. Die sechs Stunden vergingen tatsächlich (wie) im Flug. Zeitweilig habe ich quer über vier Sitzen geschlafen, das Flugzeug war nur zu einem Drittel besetzt. Es gab Lufthansa-Essen abends und zum Frühstück. In Termez mitten in der Nacht angekommen, mussten wir etwa anderthalb Stunden warten (ich habe versucht im Zelt auf einem Feldbett zu schlafen), bis es mit einer Transall nach Kabul weiter ging. Wir hatten vorher erzählt bekommen, die Transall sei fürchterlich kalt, aber wir saßen direkt an der Heizung und haben eher gekocht. Man sitzt auf Stoffbahnen (die sind aber in Sitzform) und angeschnallt. Wir durften uns leider nicht hinstellen und rausgucken, mein Versuch wurde freundlich gerügt.
Ankunft in Afghanistan
Vom Kabuler Militärflughafen holten uns Gustav und Holger ab, die beide im EDG- Büro arbeiten. D.h. erst mussten wir uns noch aufstellen und bei unserem Namen „hier!“ schreien, aber wir waren wieder nicht auf der Liste des Soldatenhäuptling, konnten also auch nicht „hier“ schreien. Das war offensichtlich aber auch nicht schlimm. Eine Zollkontrolle gab es nicht, wir waren also „illegal“ in Afghanistan. Von irgendeiner mysteriösen Stelle bekommen wir wohl noch einen Stempel „eingereist“ in unsere Pässe, ohne unser Beisein.
Mit zwei Landrovern fuhren wir zu dem zivilen Teil des Flughafens, wo Gustav und Holger noch jemanden wegbringen wollten. Dann ging es quer durch die Stadt zum EDG-Büro. Gustav und Holger fuhren richtig schnell und brutal, nahe an Fußgängern, Kindern, Radfahrern, durch Schlaglöcher und in plötzliche Seitenstraßen. Speiübel wurde es mir, aber trotzdem und trotz meines rasenden Kopfschmerzes klebte ich an der Fensterscheibe: Menschen in Lehmhütten, die Tschadori (Burka), Abfall, an allen Straßen Dokane (Läden) dicht an dicht, oft (fast meistens) in alten Metallcontainern. Schreinereien, die ihre Sachen im Lehmmatsch vor dem Laden zusammenbauen, Schlachtereien auf offener Straße, Gemüse, Obst… Plötzlich war alles ganz real. All die Filme und Geschichten und Bilder waren plötzlich so real wie eine deutsche Stadt oder ein deutsches Dorf. Eigentlich ist das ja klar, aber es war trotzdem so etwas wie ein Schock. Eine völlig andere Wirklichkeit, aber die Kinder, die „germani“ riefen, waren real wie in Deutschland.
Völlig fertig kamen wir im Büro an. Im Büro konnte ich meine erste „Bin gut angekommen“ -E-Mail nach Hause schicken. Vom Büro fuhren wir wieder durch die Stadt zu einem weiteren Haus, ich bekam ein Zimmer gezeigt und fiel fast sofort ins Bett, so gegen elf Uhr morgens.
Unterkunft im Gästehaus
Hier im Gästehaus des EDG, wo wir während unser „Gastlandsvorbereitung“ wohnen werden, hat Jede/r sein eigenes Zimmer (außer dem Ehepaar Martina/Klaus). Alle normalen Häuser hier sind eher wie Burgen, von außen abstoßend, abweisend mit einer hohen Mauer und einem Blechtor, einer Blechtür. (Fast) alle von den Europäern bewohnten Häuser haben Wächter, die aufs Klingeln hin die Tür öffnen. Dahinter gibt es oft einen Garten, eine Terrasse, einen Hof und das Wohnhaus eben. Die Häuser der Deutschen, die ich bisher gesehen habe, haben auch eher deutschen Standard (etwa 50er Jahre): normale WC´s, Badewannen, Brausen. Die Zimmer sind groß mit Wandschränken, Bett und Schreibtisch, die Küchen mit Kühlschrank, Gasherd und Waschmaschine. Nur Strom gibt es unregelmäßig und da die Häuser der Reichen Strom-Wasserpumpen haben, manchmal auch kein Wasser, wenn es zusätzlich Probleme mit dem obligatorischen Generator gibt. Das war bei uns die ersten zwei Tage so. Es hatte nämlich geregnet und dann gab es auch zu den normalen Stromzeiten von 18.00-22.00 Uhr keinen Strom wegen irgendwelchen Kurzschlüssen, zumindest in unserem Viertel.
Abends saßen wir auf der Dachterrasse, es war eher warm, aber bedeckt, nachmittags hatte es etwas geregnet. Von dort konnte man ringsumher ein Häusermeer sehen, meist einstöckige Lehmbauten hinter hohen Mauern mit Innenhöfen. Wir konnten in diese Innenhöfe sehen, und ich habe gleich spontan drei Frauen in solch einem Hof zu gewunken. Ich hatte Glück, es gab keinen Ärger, sie haben freudig zurück gewunken. Ich habe mich dann aber gleich versteckt vor lauter Schreck.
Ein paar Tage später erzählten Thomas und Antje, die in Jallalabad arbeiten, dass es bei ihnen Ärger gab, weil sie ihre Dachterrasse überhaupt benutzten und so die Frauen in den Innenhöfen unverschleiert sehen konnten. Die Paschtunen dort seien noch mal viel konservativer als in Kabul und würden Antje zum Teil mit kleinen Steinen bewerfen, weil sie ohne Dschadri (Kopftuch) einkaufen gehe.
Abends ließ dann zum Glück mein Kopfweh nach und ich bin recht früh schlafen gegangen.
Ich habe zwar viele Ruinen gesehen, aber überall auch Leben, überall Bauarbeiten, viele, viele bewohnte und renovierte Häuser. Klaus, der Afrika kennt, sagte, ihm seien die Augen aus dem Kopf gefallen, wie viel gearbeitet würde.
Unser Wohnviertel
In unserem Viertel wohnen hauptsächlich Hazara, die eher benachteiligt und ärmer sind und mongolische Gesichtszüge haben. Sie wohnen sonst noch in Zentralafghanistan, im Gebirge um Bamiyan. Die Hazara habe ich auch heute arbeiten sehen, obwohl Ramasan(die Afghanen sagen nicht: Ramadan, sondern Ramasan) ist und Freitag (der Sonntag der Muslime).
Eins, zwei Stadtteile sind sehr zerstört, aber der Rest ist wohl „normale 3. Welt-Stadt“ mit Slums, Ruinen, Müllkippen, offenen Kanälen, Bettlern, Menschen, die in Löchern hausen, regem Markttreiben, 5-stöckigen Betonbauten, eingebunkerten Palästen und Villen, kilometerweise Lehmbauten und sehr viel Leben auf den Straßen einschließlich Gestank nach Diesel und sonstigem Abgas. Es hat mich sehr an Athen erinnert, nur natürlich ärmer und eins, zwei Stockwerke weniger hoch. Im Unterschied zu Athen gibt es aber viel, viel mehr Bäume, ganz viele Alleebäume an den großen Straßen. Sehr ähnlich wie in Athen sind die Berge ringsum, völlig kahl, allerdings sind sie hier viel höher noch und mensch sieht zwischendurch im Hintergrund weiß gedecktes Hochgebirge, wie die Alpen.
Dienstag, 5.11.2002
Mehr Berichte über meinen Aufenthalt in Afghanistan gibt es auf asiapolis.de.
Ich war von 2004 bis 2006 in
Ich war von 2004 bis 2006 in Afghanistan. Im Großen und Ganzen kann ich das bestätigen. Mittlerweile sind die Bäume aber fast alle weg, verfeuert, weil viele zu arm sind, sich Brennholz zu kaufen. Zumindest war das 2004 und 2005 noch so, mittlerweile versucht man wieder, ein wenig anzupflanzen. Bei Temperaturen im Sommer von fast 40 Grad plus und im Winter von 20 Grad Minus kein leichtes unterfangen.