Strategien zur Konfliktlösung und Konfliktvermeidung (Teil I)

Möglichst reibungsarme Zusammenarbeit in Teams ist in Unternehmen genauso wichtig, wie in netzwerkartig organisierten Gruppen im Internet, z.B. in Online-Communities, die zusammen an einer Software arbeiten. Generell treten in menschlichen Organisationssystemen immer Spannungen auf. Inwieweit können diese jedoch abgebaut oder besser vermieden werden? Bereits ein Verständnis der Entstehung von Konflikten beim Einzelnen ermöglicht Lösungsansätze und Strategien für die Konfliktlösung und Konfliktvermeidung. Nach einer Kurzeinführung in die Kommunikationspsychologie stelle ich im ersten Teil zu diesem Thema verschiedene Arten von Konflikten vor. Im Speziellen befasse ich mich dabei mit Konflikten aufgrund von Missverständnissen, Zielkonflikten, Verteilungskonflikten, Kompetenzkonflikten, Beurteilungskonflikten und Durchsetzungskonflikten.

Grundlagen der Kommunikationspsychologie

In der Psychologie werden als die an Konversationen teilnehmenden Personen in Sender und Empfänger unterteilt. Die gesandte Information heißt auch Botschaft oder Nachricht. Eine Nachricht besteht grundsätzlich aus vier Aspekten: Sachinhalt, Selbstkundgabe, Beziehungs- und Appellanteil. Diese werden in einer bestimmten Gewichtung vom Sender in die Information eingebracht und vom Empfänger mit seinen „vier spezifischen Ohren“ in einer ihm eigenen Intensität empfunden. Genauer gesagt werden selektiv und individuell verschieden, gesteuert durch Erfahrungen, Gefühle und Urteile bestimmte Teile der Information vom Empfänger wahrgenommen und interpretiert (Vgl. Schulz von Thun, Friedemann, 1981). Durch Assoziationen mit der Erfahrungswelt des Empfängers werden bestimmte Emotionen ausgelöst. Die empfangene Botschaft entsteht im Kopf des Empfängers (Vgl. Bleis, Christian 2000: 103 ff.). Der Sachinhalt bezeichnet neutrale Fakten. Er gibt an, worüber informiert wird. Der Selbstoffenbarungsanteil schließt alle Informationen ein, die der Sender von sich preisgibt. Er schließt Selbstdarstellungen und Enthüllungen mit ein. Der Beziehungsaspekt einer Botschaft definiert das Verhältnis von Sender und Empfänger. Er besteht aus zwei Hauptteilen: Wie sieht der Sender den Empfänger und wie empfindet er die Beziehung zu diesem. Der Appellaspekt einer Nachricht beinhaltet das Wirkungskalkül des Senders: Was will der Sender mit der Äußerung beim Empfänger erreichen? Was soll der Empfänger tun? Oft werden die anderen Bestandteile der Botschaft instrumentalisiert, um die Wirkung des Appells zu erhöhen. Jede Seite einer Information kann sowohl offen als auch verdeckt, direkt oder indirekt geäußert werden.

Konfliktarten und ihre Entstehung

Konflikte können allgemein als Spannungen verstanden werden. Diese – insbesondere bei Interaktion von Personen oder Gruppen eines Unternehmens mit anderen Personen oder Gruppen des gleichen Unternehmens bzw. bei Unterschieden zwischen Zielsetzungen des Unternehmens und individuell persönlichen Vorstellungen einzelner Mitarbeiter (Vgl. Krüger, W. 1983: 441) sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die im Folgenden darzustellenden Konfliktarten sind nicht zwangsläufig unabhängig voneinander. So lässt sich in einer prozesshaften Sicht vorstellen, dass z. B. Beurteilungskonflikte zu Durchsetzungskonflikten führen, Verteilungskonflikte Zielkonflikte hervorrufen oder verstärken und umgekehrt. Sie beeinflussen sich gegenseitig. Ferner spricht einiges für die Überlegung, dass die Intensität mit der eine Konfliktart auftritt, mit dem Grad der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Arbeitnehmern oder Abteilungen positiv korreliert (Vgl. Rühle von Lilienstern, H. 1983: 630). Das Ausmaß einzelner Auseinandersetzungen ist nicht als statisch anzusehen. Mit der Entwicklung der Zusammenarbeit im Zeitablauf werden sich unterschiedliche Konfliktniveaus ergeben (Vgl. Tröndle, D. 1987: 141f). Es sei noch auf die unterschiedlichen Dimensionierungen der auftretenden zwischenmenschlichen Spannungen hingewiesen. Die Dimensionen sind als Hintergrundvariable zu sehen, welche das Auftreten und die Intensität sowie die Form der Austragung eines Konfliktes mitbestimmen. Unterschieden werden können die sachlich-intellektuelle, die sozio-emotionelle sowie die wertmäßig-kulturelle Dimension, wobei auch hier von Wechselbeziehungen auszugehen ist. Konflikte werden zumeist Elemente aller drei Dimensionen beinhalten, allerdings mit von Fall zu Fall unterschiedlicher Gewichtung (Vgl. Krüger, W. 1980: 1073f).

1.) Konflikte aufgrund von Missverständnissen

Der folgende Abschnitt basiert ebenfalls hauptsächlich auf Schulz von Thun. Häufig beruhen Konflikte auf Missverständnissen. Das bedeutet, dass der Sender der Nachricht etwas anderes zum Ausdruck bringen will, als der Empfänger versteht. Ein häufiger Grund für dieses „aneinander Vorbeireden“ ist die unterschiedliche Gewichtung der vier Aspekte einer Botschaft. Zur Verdeutlichung dieses Mechanismus dient folgendes Beispiel: Zwei gleichgestellte Mitarbeiter eines Unternehmens arbeiten im selben Büro. Herr A bereitet gerade die Bestellung der Büromaterialien vor. Frau B arbeitet konzentriert an einer Aufgabe.

[quote] Herr A: „Frau B, haben sie noch einen Notizblock?“

Frau B: „Können sie sich nicht einmal ihren eigenen Block holen? Sie sehen doch, daß ich beschäftigt bin.“ [/quote]

In der beschriebenen Situation lag die intendierte Betonung durch Herrn A sicherlich vorwiegend auf dem Sachaspekt des gesagten. Er wollte die reine Sachinformation, um die Bestellmenge genau bestimmen zu können. Frau B hingegen vernahm die Frage vorwiegend auf dem „Beziehungsohr“ und dem „Appellohr“. Die von Ihr wahrgenommene Nachricht könnte etwa so gelautet haben:

[quote] „Sie müssen für mich sorgen.“, „Sie müssen tun was ich will.“ oder „Geben sie mir ein paar von Ihren Notizzetteln!“ [/quote]

Solche Missverständnisse sind häufig schwer erkennbar. Auch sind sie oftmals nicht durch den missverstandenen Kommunikationspartner ausgelöst. Vielmehr liegen Gründe für menschliche „Hör- und Sprechgewohnheiten“ nicht selten weit in der Vergangenheit (Vgl. Schulz von Thun, Friedemann 1989).

2.) Zielkonflikte

Ein Ziel kann als ein in der Zukunft angestrebter Zustand definiert werden, der terminlich und sachlich genau definiert ist (Vgl. Heinen, E. 1991: 13). Besteht zwischen den beteiligten Mitarbeitern kein Konsens über die mit der Zusammenarbeit zu erreichenden Zustände, so führt dies zu Spannungen, wobei davon auszugehen ist, dass die beteiligten Parteien über jeweils spezifische, konkurrierende Zielentwürfe verfügen (Vgl. Krüger, W. 1983: 445). Erschwerend kommt bei dieser Konfliktart hinzu, dass die divergierenden Zielvorstellungen nicht zwangsläufig explizit gemacht werden, sondern jede Seite insgeheim eventuell ihre eigenen Ziele auch während der Kooperation beibehält, mit der Intention, einen höheren Nutzen zu Lasten des anderen Teilnehmers zu erzielen, wobei sich die Folgen dieser Handlungsweise negativ auf die gesamte Arbeit auswirken können.

3.) Verteilungskonflikte

Diese Konfliktart kann als Ausdruck des allgemeinen Knappheitsproblems angesehen werden (Vgl. Krüger, W. 1983: 442). Die zur Bedürfnisbefriedigung – hier der kooperierenden Gruppen – zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, um sämtliche Ansprüche zu erfüllen. In erster Linie entstehen Verteilungskonflikte bei der Aufteilung von Ressourcen auf einzelne Personen, Abteilungen, Teams oder Projekte. Auch die Disposition von Gewinn und Verlust auf die Kostenstellen des Unternehmens kann Verteilungskonflikte provozieren. Hier nicht ausreichende Regelungen gefährden die Zusammenarbeit in hohem Maße (Vgl. Ohmae, K. 1985: 137).

4.) Kompetenzkonflikte

Kompetenz meint Zuständigkeit für einen eingegrenzten Wirkungskreis. Kompetenzkonflikte entstehen, wenn in einer konkreten Situation verschiedene Gruppen die gleiche Kompetenz beanspruchen – oder, im negativen Fall, sich niemand zuständig fühlt. Fehlen entsprechende Regelungen für die Zuweisung von Kompetenzen oder sind diese unklar, erhöht sich das Konfliktpotential (Vgl. Rühle von Lilienstern, H.1983: 627). Verschärft wird diese Art von Konflikten dadurch, dass es sich bei Kooperationsbeziehungen auch und gerade um Fragen der Machtverteilung, um größere Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der Zusammenarbeit handeln kann. Ein Mehr an Zuständigkeit kann ein Übergewicht eines Partners hervorrufen, mit der Folge einer stärkeren Möglichkeit zur Einflussnahme (Vgl. Endress, R. 1975: 30f).

5.) Beurteilungskonflikte

Selbst bei unterstellter Zielkongruenz innerhalb der zusammenarbeitenden Gruppe kann es dennoch zu Konflikten über die Zielwirksamkeit von einzelnen Entscheidungsalternativen kommen. Derartige Beurteilungskonflikte treten dann auf, wenn die Partner unterschiedliche Erwartungen bezüglich des Eintritts von zukünftigen Umweltzuständen oder Ereignissen haben (Vgl. Krüger, W.: Konfliktsteuerung, 1983: 445). Außerdem können bereits eingetretene Erfolge jeweils unterschiedlich interpretiert werden. Zudem können zu erbringende Arbeitsanteile einseitig relativ hoch beurteilt werden, mit dem Motiv, sich eine günstige Position für die Erfolgsverteilung zu verschaffen. Ein weiterer Grund für das Auftreten von Beurteilungskonflikten ist in dem jeweiligen unterschiedlichen Informationsstand der Beteiligten zu finden. Dieser ließe sich auch bei gutem Willen der Partner nur durch zusätzlich aufzubringende Informationskosten reduzieren, nicht jedoch beseitigen.

6.) Durchsetzungskonflikte

KRÜGER geht davon aus, daß es sich bei Durchsetzungskonflikten um "Spannungen zwischen Entscheidungsträgern und Realisationsträgern" handelt (Krüger.W.1983: 445). Im Rahmen von divisionsübergreifenden Kooperationsbeziehungen erhält diese Beschreibung insofern eine weitere Dimension, als nicht mehr von einheitlichen Zielsetzungen, Willensbildungen und Entscheidungen ausgegangen werden kann. Einzelne Partner können Dominanzstreben zeigen. Im Rahmen dieser Bestrebungen könnten sie versuchen, eigene Bedürfnisse auch gegen den Widerstand und notfalls auf Kosten der anderen durchzusetzen.

 Literatur

Endress, Ruth (1975):
Strategie und Taktik der Kooperation, Berlin 1975

Heinen, Edmund (1991):
Industriebetriebslehre als entscheidungsorientierte Unternehmensführung, in: Heinen, Edmund (Hrsg.): Industriebetriebslehre – Entscheidungen im Industriebetrieb, 9. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 1991, S. 1-71

Krüger, Winfried (1983):
Konfliktsteuerung in der Unternehmung, in: Management Enzyklopädie, Bd. 5, 2. überarbeitete Auflage, Landsberg 1983, S. 441-452

Omae, Kenichi (1985):
Macht der Triade, die neue Form weltweiten Wettbewerbs, Wiesbaden 1985

Rühle von Lielienstern (1983):
Kooperation, in: Management Enzyklopädie, Bd. 5, 2. überarbeitete Auflage, Landsberg 1983, S. 622-632

Schulz von Thun, Friedemann (1989):
Miteinander reden 2. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung, Reinbeck 1989

Tröndle, Dirk (1987):
Kooperationsmanagement, Bergisch Gladbach/ Köln 1987

 

Teil II: Strategien zur Konfliktlösung und Konfliktvermeidung: Konfliktmanagement in Teams (Teil II)

 

 

 

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